Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 140
(PDF, 120 MB)
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Frank Flechtmann

ein wolkiger Tag im Jahre 1953" - zwei Unbekannte vom Hornberger
Bahnhof (13) durch die Stadt gelaufen. Ein „sehr schmaler, großer, etwa
40-jähriger Mann" und eine deutlich jüngere „Frau in einem hellen Sommerkostüm
und einem Hut, der sicher für diese kleine Gemeinde etwas zu
auffallend war" (14). „Der Mann mit den stechenden schwarzen Augen"
und seine Begleiterin gingen zielsicher zur Hauptstraße, damals floss dort
sogar die Kinzig (15). Sie platzten in die Sprechstunde des Landarztes, der
darob „wie vom Donner gerührt" war und zu dem Ankömmling sagte:
„Herr Kollege Burkhardt!" Das war natürlich nicht der richtige Name. Den
hat der Autor diskret geändert, „um den noch Lebenden die Gelegenheit zu
geben, sich auf der einen Seite wiederzuerkennen und auf der anderen Seite
abzutauchen in die Anonymität ihres Berufes und ihrer Familien" (13).
Der folgende Wortwechsel, während dessen die Landarztgattin „mit
Schaffschürze und Besen, Eimer und Staubwedel unter dem Arm" (18)
hinzutrat, gipfelte in der Forderung des Neuankömmlings, er wolle „seine
Praxis" auf der Stelle zurück: „Ich bin wieder da, lieber Herr Kollege, und
Sie haben nur kurz Zeit, hier Ihre Sachen zu packen und wieder zu gehen"
(17).

Doch die beim Putzen gestörte Arztgattin, zunächst „zu Tode erschrocken
" (18), hatte schnell begriffen, wer da die Familie vertreiben wollte,
und sagte zu „Dr. Felix Burkhardt" und seiner „berechnend schauenden
Freundin Gisela", was dem Landarzt nicht einfiel: „Was für eine Art Wissenschaft
war das denn, die Sie zwischen 1938 und 1941 gemacht haben,
wenn ich fragen darf?" Der „Orthopäde" (22), der hier nur seine „Habilitation
im Fach Orthopädie zu Ende" führen wollte (21), hört nun von der
Mutter des Erzählers „in ihrem grauen Schaffschurz": „Ich habe beim Umgraben
im Garten eine Blechschachtel gefunden und mich sehr darüber gewundert
, was es war." In der Schachtel seien nicht die sonst im Krieg vergrabenen
Reichtümer gewesen, „sondern es waren jede Menge Filme darin
". Da springt Dr. Burkhardt auf, „plötzlich aschfahl geworden", also waren
es keine Urlaubsdias vom Gardasee. Er fordert die sofortige Herausgabe
, droht mit der Polizei. Doch die Mutter erklärt, sie habe sich „erlaubt,
die Filme entwickeln zu lassen." Man sehe nur „sehr viele abgeschnittene
Kniegelenke, präparierte Kniescheiben" und dergleichen. Dr. Burkhardt,
der schon aschfahl gewesen war, wurde nun „grau und sein Gesicht fiel immer
mehr in sich zusammen". Er fordert die Filme, die „Frucht seiner wissenschaftlichen
Arbeit von drei Jahren". Doch die Mutter des Erzählers erwidert
nur: „Bitte, lieber Kollege Burkhardt, gehen Sie zur Polizei", und
verweist auf die Beschriftung der Filmdosen: „Einer trug sogar noch beim
Entwickeln die Herkunft vom Lager Auschwitz ..." (23). Da „ergriff Dr.
med. Burkhardt schnell seine technische Assistentin und verließ fluchtartig
" das Haus, verschwand. Die Mutter in ihrer Schürze erklärt nun ihrem
Gatten Auschwitz, ähnlich frei wie die Kinzig in Hornberg5: „... Ich war


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