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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 165
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Dr. Leo Wolff aus Appenweier, „der praktische, bewegliche Landarzt"

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Curts Cedera aus das Land anzuschauen, und wenn es ihnen gefiele, dort
zu bleiben und zu siedeln. Bert und Steffen sollen auch bestätigt haben,
dass dann der Großvater die Praxis dem arischen Arzt Dr. Steiger aus Offenburg
übergeben würde.37 Nach einer Bemerkung von Curts Sohn Uri sei
Wolff tatsächlich in Palästina gewesen, habe aber dort keine Möglichkeit
gefunden, seinen Beruf auszuüben,38 und den Plan aufgegeben. Anstelle
des „Landes der Väter" rückten nun England und Amerika in den Blickpunkt
der Hoffnung, und offensichtlich nach den bedrohlichen Ereignissen
des Jahres 1938 leitete Irma Herzog das Auswanderungsverfahren für sich
und die beiden Kinder ein, um über Großbritannien nach den USA zu gelangen
.39 Schneller als erwartet hatten sie Erfolg. Durch Zufall bekamen
die Jungen noch zwei Plätze auf dem Kindertransport der englischen Regierung
im Frühjahr 1939, und auch die Mutter konnte noch einen Monat
vor Ausbruch des Krieges nach Großbritannien ausreisen.40

Nun war Leo Wolff allein. Sein ältester Sohn Carl arbeitete als Handlungsgehilfe
in Mannheim, und aus dem vertrauten Kreis wohnte nur noch
die Haushälterin Frau Pfefferkorn bei ihm. Während des ersten Kriegsjahres
litt er sehr unter der wachsenden Isolierung. In einem Brief von Mitte
Januar 1940 an seine Tochter schildert er, was er erlebt und empfindet.41
„In Peterstal war ich seit Weihnachten nicht mehr; dafür waren Rosenbergs
, die es dort vor Kälte kaum aushalten können, immer wieder ein
paar Tage hier. Ihr Besuch hilft mir, zumal sonst selten jemand kommt,
über viele langweilige Tage weg. Abends spielen wir mit Eifer Karten und
knabbern Kuchen und Gutsei. Morgens, wenn Frau Pfefferkorn die Zimmer
macht, laufen wir, sonst lesen wir; ... ich schreibe Lebenserinnerungen aus
Kriegs(zeiten?) auf lose Blätter; das macht viel Freude, und beim Durchblättern
meiner alten Tagebücher manch Weh." In Offenburg treffe er
kaum noch Bekannte, Bodenheimers habe er schon lange nicht mehr besucht
, es sei zu kalt und zu glatt zum Radfahren gewesen. Ganz seien die
alten Verbindungen jedoch nicht abgebrochen, Leute aus dem Dorf ließen
sie, Irma, grüßen, Kupferer, Bollacks (bei denen er gelegentlich Skat spielte42
), aber auch Schwester Käthchen (Seebacher aus Legelshurst) „und viele
andere".

In dieser Zeit aber betrieb er auch seine eigene Auswanderung nach
Amerika, er hatte seinen Antrag und andere Unterlagen eingereicht und
kümmerte sich nun um Bürgschaften und Quoten; er riet seiner Tochter,
den Wert ihrer Bürgschaften für die Weiterfahrt nach den USA zu überprüfen
und sie ergänzen zu lassen. Die Gedanken an Irma und die Engelkinder
hielten ihn aufrecht, und es ist erschütternd, wie überzeugt von einem baldigen
Wiedersehen er seine Vorfreude ausdrückt.43

Wir wissen, dass die Erwartungen furchtbar trogen. Der Arzt aus Appenweier
dürfte von Beginn an das Schicksal der Offenburger Juden geteilt
haben, das schon mehrfach dargestellt wurde. Über die Vorgänge im Ort,


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