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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 189
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Hirudo medicinalis in Kehl: Die blutige Karriere eines Ringelwurms

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Kraft, mit der das Blut aus der Wunde gesaugt wird, gemessen: sie vermag
eine Wassersäule von 1 m Höhe das Gleichgewicht zu halten. Demgegenüber
beträgt die Saugkraft des Mundes, z.B. eines tüchtigen Pfeifenrauchers
, ca. 3,3 m."19

Die Egel fallen schließlich gesättigt ab. Das gerinnungshemmende Speichelsekret
Hirudin lässt die Wunde jedoch noch mehrere Stunden nachbluten
. „Pro Blutegel verliert ein Patient - beim Saugen und Nachbluten -
zwischen 25 und maximal 40 oder 45 Millilitern Blut; bei zehn Blutegeln
kommt es also zu einem Blutverlust von circa 250 Kubikzentimetern oder
einem Viertelliter, vielleicht auch bis zu einem knappen halben Liter. Dies
geschieht im Lauf von zwölf bis 24 Stunden, keinesfalls auf einmal. "20
Durch diese Sickerblutung soll der entzündete Bereich auf schonende
Weise entlastet werden: alte Schlacken würden kontinuierlich ausgeschwemmt
. „Der Blutverlust erfolgt ja im Gegensatz zum Aderlaß so langsam
, dass die Regulationsmechanismen des Körpers den Volumenmangel
mühelos ausgleichen können. Flüssigkeitszufuhr kann den Vorgang unterstützen
. "2I Hirudin wirkt nicht nur antithrombotisch, sondern auch gefäß-
krampflösend (die Schmerzen lassen nach) und immunisierend. Wenn
möglich, soll die Nachblutung nicht zu früh gestoppt werden, damit die
Reste des Blutegel-Histamins restlos ausgeschwemmt werden. Die Wunden
heilen sonst schlecht und es könnte zu Entzündungen oder Abszessen
kommen. Um die Bissstelle herum tritt - ähnlich wie bei einem Insektenstich
- eine quaddelartige, juckende Rötung auf, die jedoch nach etwa zwei
bis vier Wochen abheilt und millimetergroße, weiße Narben hinterlässt, die
meist gut verwachsen. Der kosmetische Effekt soll jedenfalls weit günstiger
sein als gegenüber dem Messer (vorausgesetzt, es werden kleine Blutegel
von etwa einem Gramm Gewicht verwendet).

In etwa fünf Prozent aller Fälle treten Komplikationen in Form einer
starken Nachblutung, Kreislaufschwäche, allergischen Reaktionen oder
Entzündungen auf.

Der Wirkstoffcocktail des Medizinischen Blutegels

Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gelang es noch nicht, den Blutegelwirkstoff
von unerwünschten Beimengungen aus Muskel- oder anderen
Organteilen zu reinigen. Erst Mitte der 1950er Jahre glückte in Tierversuchen
die Isolierung und chemische Charakterisierung des gerinnungshemmenden
Wirkstoffes Hirudin. Es handelt sich um ein hochmolekulares
Polypeptid (Eiweiß), das sich mit der Geschwindigkeit einer Ionenreaktion
speziell mit dem Gerinnungsferment Thrombin verbindet und dessen Wirkung
blockiert (aktives Hirudin + aktives Thrombin = inaktives Hirudin-
Thrombin oder Antithrombin). Intravenös gespritztes reines Hirudin wirkte
nicht toxisch, verschwand nach etwa zwei Stunden aus dem Blut und wur-


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