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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 213
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Gesundheit und Krankheit im Spiegel einiger Beiträge der 85 Jahrgänge der „ Ortenau"

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jedoch sehr bald. So waren zum 1.1.1865 bei einer Gesamtzahl von 437
Patienten 47 „Ausländer". Neun davon kamen aus der Schweiz, acht aus
Frankreich, einer aus Rumänien und einer aus Holland. Die Behandlung
der Kranken bestand zum einen - so wie heute auch noch - aus der Verabreichung
von Beruhigungsmitteln oder Schlafmitteln. Zum anderen wollten
Roller und seine Nachfolger die Patienten ihren Fähigkeiten gemäß
fördern und fordern. Aus diesem Grunde konnten sich die Männer körperlich
betätigen, indem sie z.B. Holz sägten oder in der Landwirtschaft anfallende
Aufgaben erledigten. Die Arbeiten der Frauen bestanden im Putzen
von Gemüse bzw. im Bügeln. Turnen und Ballspiele dienten der körperlichen
Ertüchtigung der Patienten. Deshalb wurden auch Konzerte u. a.
veranstaltet und Theaterstücke gespielt. Eine umfangreiche Bibliothek,
welche von beiden Anstaltspfarrern verwaltet wurde, stand sowohl den
Patienten als auch dem Personal zur Verfügung. Dass die kranken Menschen
durchaus über ein schöpferisches und künstlerisches Potenzial verfügten
, zeigte das 1861 geschaffene „Illenauer Liederbuch" und das zwischen
1861 und 1896 erschienene „Illenauer Wochenblatt". Es berichtete
u.a. über unternommene Ausflüge, veranstaltete Konzerte usw. Auch die
alljährlichen Oster- und Weihnachtsfeste gaben durch die abgehaltenen
Gottesdienste, aber auch durch die Bescherung am Heiligen Abend, Patienten
, Personal und Ärzten eine willkommene Abwechslung. Dazu gehörten
auch die Geburtstage des großherzoglichen Ehepaares und der Direktoren
der Anstalt bzw. deren Dienstjubiläen.26

Das Ende der Bezirkspflegeanstalt Illenau erfolgte nicht aus einer etwaigen
schlechten Belegung bzw. aus Gründen der Zweckmäßigkeit. Vielmehr
war sie eine Konsequenz von Hitlers Euthanasie-Erlass, welcher die Ermordung
von Geisteskranken befahl. Sie nahm ihren Anfang damit, dass
die Anstaltsleitung der Illenau vom „Reichsministerium des Innern" am
9. Oktober 1939 ein Schreiben erhielt. Gegenstand desselben war die Aufforderung
, die Namen der Insassen zu melden, welche „nicht arbeiteten und
an bestimmten, genau aufgezählten Geisteskrankheiten litten". Ferner muss-
ten die Namen der Patienten gemeldet werden, die sich seit fünf Jahren in
der Anstalt befanden. Gleiches galt für „kriminelle Geisteskranke" und jene
, „welche nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatten oder fremdrassig
waren." Ungefähr zwei Monate nach dem 1. Dezember 1939, dem Datum,
als die Meldebögen nach Berlin zurückgesandt werden mussten, bekam die
Leitung der Anstalt die Mitteilung, dass zu einem nicht näher bestimmten
Zeitpunkt die Verlegung der Kranken durch die Gemeinnützige Krankenhaus
GmbH erfolgen würde.

Am 18. Mai 1940 wurden 75 Patienten (50 Männer und 25 Frauen) anstatt
der 50 gemeldeten Patienten abgeholt, um nach Grafeneck transportiert
zu werden. Hier wurden sie durch Vergasung brutal ermordet. Es
sprach für die moralische Verkommenheit der am Standesamt in Grafeneck


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