Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 304
(PDF, 120 MB)
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304

Andreas Lörcher

Stube des Lagerältesten schaffen. Danach brachten SS-Leute auf einem
Karren Äxte und Eisenstangen in den Keller des Häftlingsblocks. Mehrere
Kapos, darunter Lemke und Michels, holten die Kranken aus dem Revier
und schleiften sie an den Füßen in den Keller. Im Kellerflur mußten sie sich
in einer Reihe vor dem Waschraum aufstellen, in den sie dann einzeln gestoßen
wurden. Hier erwarteten sie SS-Leute, Kapos, Lager- und Blockälteste
, um sie der Reihe nach zu töten. Manche Häftlinge erhängten sie an
Wasserhähnen, andere warfen sie zu Boden, legten ihnen eine Stange auf
den Hals und stellten sich darauf, wieder andere erschlugen sie mit Keilhauen
. Wer sich wehrte, wurde wie ein Tier totgeschlagen - viele Leichen
waren verstümmelt und blutüberströmt.

Das Massaker muß von Mittag bis gegen 15 oder 16 Uhr gedauert haben
, die Hilferufe und Schmerzensschreie der Opfer hallten pausenlos
durch den Bau. Mehrere Häftlinge begegneten auf den Treppen betrunkenen
und blutverschmierten SS-Leuten und Kapos. Schreie und Mordgeräusche
alarmierten auch Sigmund Nissenbaum, dessen Vater seit zwei Tagen
im Krankenrevier lag. Als er ihn nach der Arbeit dort besuchen wollte, war
er verschwunden. Der Arzt gab vor, die Kranken seien alle ins Offenburger
Krankenhaus verlegt worden. , Ein Häftling, der als Friseur tätig war, klärte
mich auf. Die Kranken seien umgebracht worden und lägen noch im Keller
. Ich war so verzweifelt, daß mir alles egal war; ich stellte die zwei
wachhabenden SS-Leute zur Rede und sagte, sie hätten meinen Vater umgebracht
. Daraufhin schleppten sie mich ebenfalls in den Keller und zeigten
mir einen Berg von etwa 40 Leichen, die offensichtlich mit der Axt erschlagen
worden waren. Sie drohten mir, wenn ich noch ein Wort sagen
würde, sei ich als nächster dran. Es war mir nicht möglich, noch irgendetwas
zu tun. Kurz darauf wurden die blutüberströmten Leichen auf Leiterwagen
geworfen und auf den Offenburger Friedhof transportiert, wo sie
am Zaun einfach abgeladen wurden.' Auf dem Friedhof war bereits eine
Grube ausgehoben, in die Mithäftlinge die Leichen der 41 Häftlinge warfen
, die dem Blutbad zum Opfer gefallen waren. Um die Spuren zu verwischen
, mußten sie die Erde auf der Grube feststampfen. "5

Durch Zeugenaussagen konnte das Massaker rekonstruiert werden. Der
Fund des Massengrabes auf dem Offenburger Friedhof nach dem Krieg
durch die französischen Besatzungstruppen und das Dokument mit den
Namen der Opfer untermauern die geschilderten Zeugenaussagen. Den
Anstoß für die staatsanwaltlichen Ermittlungen in diesem Fall, gab ein
Schreiben des sowjetischen Staatsbürgers Nikolai Klimentjewitsch Leo-
now an die deutsche Botschaft in Moskau. Leonow war Häftling des in Offenburg
stationierten Bauzugs des KZ-Flossenbürg.6 In seinem Schreiben
schildert er einige Verbrechen von SS-Angehörigen, wobei eine beschriebene
Tat den Hinweis auf das Massaker an den 41 Häftlingen gab, das
letztlich bewiesen werden konnte.


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