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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 308
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Andreas Lörcher

blieb der einzige Zeuge. Nur er war bereit, zu den 17 Toten Stellung zu
nehmen, obwohl es wahrscheinlich ist, dass es weitere Augenzeugen gab.
Es gab weitere KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter, Zigeuner und Resistance-
Kämpfer, die in der Umgebung Offenburgs erschossen und in Erdlöchern
begraben worden waren und deren Leichen nach dem Kriegsende meist
von alliierten Soldaten identifiziert werden konnten. Im Rammersweier
Wald13, am Rheinufer von Kehl14, in den Wäldern von Durbach15 und Rip-
poldsau16 wurden einige der Opfer von Erschießungen aufgefunden.

Doch wahrscheinlich blieben auch viele Gräber unentdeckt. In einem
Zeitungsartikel über den französischen Militärgerichtsprozess um einen
Mord an einem russischen Zwangsarbeiter im Durbacher Wald wurde beispielsweise
geschrieben: „Damit hat eine der vielen ruchlosen Taten, die
in diesem Walde während der Kriegszeit von gewissenlosen Elementen verübt
worden waren, ihre Sühne gefunden."

Viele solcher Taten wurden während der Kriegszeit verübt, aber nur ein
kleiner Teil davon später aufgedeckt. In diesem Sinne schrieb ein Journalist
in der Ortenauer Zeitung über den Fund des Massengrabes am Güterbahnhof
: „Die ganze Welt ist ein großer Friedhof, auf dem die Toten des
vergangenen Krieges und die Opfer des Nationalsozialismus ruhen. Auch
Deutschlands Erde birgt tausende von Gräbern mit stummen Zeugen des
großen Gerichts. Wir kennen sie gar nicht alle, diese Gruben, in denen die
unzähligen Ankläger des versunkenen Systems ungehört, und deshalb von
vielen schon beinahe vergessen, ein Ende fanden. Kein Kreuz, nicht einmal
ein Stab kennzeichnet oftmals ihre letzte Ruhestätte, kein Sterbebuch enthält
ihre Personalien, niemand soll von ihrem Tod erfahren: große Maulwurfshügel
sind günstigstenfalls alles, was von ihnen übrig blieb. Dem Zufall
bleibt es überlassen, ob sie jemals aufgefunden werden. "17

Die Tatsache, dass die Morde an den KZ-Häftlingen des Bauzuges Flos-
senbürg belegt werden konnten, ist sehr außergewöhnlich und bot die Gelegenheit
, diese Tat gerichtlich zu bearbeiten. Somit wurde dieses Massaker
zum Gegenstand einer Verhandlung des in Rastatt eingerichteten französischen
Militärgerichtshofs. Die von der deutschen Staatsanwaltschaft
angestrengten Ermittlungen stellen lediglich eine Nachlese dieses Prozesses
dar.18

Da von der Staatsanwaltschaft 20 Jahre nach Kriegsende keine weiteren
Hinweise gefunden wurden, die Nikolai Leonows Vorwürfe hätten untermauern
können, blendeten die Ermittler die Widersprüche zwischen dem
von Leonow geschilderten Vorfall und dem vom französischen Militärgerichtshof
bearbeiteten Massaker vom 12. April 1945 aus. Sie kamen zu
dem Schluss, dass es sich hier um ein und dasselbe Verbrechen handeln
müsse. Aus Sicht der Ermittler sprach unter anderem für diese These, dass
beide Verbrechen an Kranken verübt wurden. Hierzu ist kritisch anzumerken
, dass auch im Ostarbeiterlager sowie im städtischen Krankenhaus se-


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