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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 342
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Johannes Werner

land: allein 50 von ihnen zwischen 1830 und 1860. Es war ein ungeheurer,
unerwarteter und unverhoffter Aufbruch.2

Es waren Gemeinschaften einer neuen Art, die nun entstanden; und
zwar aus dem Wunsch und Willen junger Frauen, ihrem Leben einen Sinn
zu geben und anderen zu helfen - ihrem Leben einen Sinn zu geben, indem
sie anderen halfen. Im Mittelalter war schon einmal eine solche Bewegung
aufgebrochen, die der Beginen; aus ihr ging in Freiburg das Dominikanerinnenkloster
Adelhausen hervor, dessen Regel 1865 von Neusatzeck übernommen
wurde und, nachdem Adelhausen 1867 unterging, hier weiterlebte
und noch weiterlebt. Die Ordensgeschichte geht oft wunderbare Wege.

Eigentlich hatte Bäder an einen dreifach gestuften Orden gedacht: mit
Mitgliedern, die im Kloster eine ununterbrochene Anbetung halten, mit
solchen, die auf den Feldern und sogar in den Fabriken arbeiten und mit
solchen, die in Familien dienen und dort missionarisch wirken sollten. Seine
Schwestern sollten sozusagen Mägde sein, nach dem Vorbild von Maria
, der „Magd des Herrn" (Lk 1,38). Der Gedanke lag gleichsam in der
Luft; schon 1850 war in Oberschlesien die Genossenschaft der „Mägde
Mariens von der Unbefleckten Empfängnis" entstanden, 1851 im Westerwald
die der „Armen Dienstmägde Jesu Christi", und „Arme Mägde Christi
" nannte man auch die Schwestern von Kürzell. Von Anfang an verstanden
sie sich allesamt als Menschen, die ihren Mitmenschen dienen, ihnen
helfen wollten.

Auch die Schwestern von Neusatzeck halfen, wo ihre Hilfe am nötigsten
, wo die Not am größten war. Sie nahmen Waisenkinder auf, bald bis
zu 40, um die sich damals nämlich niemand kümmerte. In manchen Gemeinden
wurden sie sogar öffentlich versteigert, d. h. derjenige, der den
geringsten Zuschuss verlangte, erhielt den Zuschlag und damit das Kind,
um es auf alle Arten auszunutzen. Diesem Übel musste abgeholfen werden
. Also entstand in Neusatzeck das erste Waisenhaus des Landes, und
dann, nach einem diesbezüglichen bischöflichen Aufruf, das zweite in
Schwarzach. Aber schon die Schwestern von Kürzell hatten Waisenkinder
aufgenommen. Eines der ersten kam übrigens, geschickt von Pfarrer Bäder,
1854 aus Neusatz.

Also kümmerten sich die Schwestern um die Mitmenschen - aber sie
kümmerten sich kaum darum, dass das, was sie taten, in Baden unerwünscht
, wenn nicht sogar verboten war.3 Die Behörden machten ihnen das
Leben schwer; so hoben sie die Mädchenschule, die erst 1868 eingerichtet
worden war, schon 1871 wieder auf, und 1873 auch das Waisenhaus. Die
Schwestern eröffneten ein Kur- und Exerzitienhaus, in dem sie ihre legendäre
Gastfreundschaft übten, und ließen sich nicht entmutigen. Übrigens
war Neusatzeck auch das erste Exerzitienhaus der Erzdiözese; schon 1892
hielt Thomas Nörber, der nachmalige Erzbischof, dort den ersten Kurs, dem
noch hunderte, mit Zehntausenden von Teilnehmern, folgten.


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