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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 534
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Uwe Schellinger

20. Jahrhundert vor allem am massiven Einfluss der NS-Diktatur auf das
Sportwesen zeigte.59 Ludger Syre hat in diesem Zusammenhang aufgelistet
, welche sportlichen Großveranstaltungen in Offenburg in den Jahren
zwischen 1933 bis 1937 von den Nationalsozialisten instrumentalisiert
wurden, wobei man vor allem das Turnen und das Schwimmen für die eigenen
ideologischen Zwecke einsetzte.60

Im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Repressionspolitik
wird man auch die Stellung des jüdischen Sports bzw. die Schicksale jüdischer
Sportler und Sportfunktionäre ins Blickfeld zu nehmen haben. In
welcher Weise war eine Bevölkerungsminderheit wie die Ortenauer Juden
in den Sport miteingebunden bzw. welche integrierende oder exkludieren-
de Funktion hatte der Sport gerade in Zeiten der politischen Diktatur? Bislang
liegen hierzu kaum Hinweise vor, obwohl gerade die südliche Ortenau
einen verhältnismäßig großen jüdischen Bevölkerungsanteil aufwies.
Dokumentiert ist, dass der Lahrer jüdische Bürger Oscar Weil 1903 als
Torhüter zur Gründungsmannschaft des 1. FC Lahr (später Lahrer FV) gehörte
.61 In Kippenheim, einem Ort mit einer großen jüdischen Gemeinde,
war die Gründung eines eigenen jüdischen Sportvereins zumindest geplant.
In einem überlieferten Satzungsentwurf dieses Vereins ist zu lesen: „Der
jüdische Sportklub in Kippenheim ist eine freie Vereinigung von Sportfreunden
, die Lust am Spiel haben und an den sonstigen Veranstaltungen
des Klubs tätig mitwirken."62

Weiterhin käme als Ansatz in Betracht, die Erinnerungs- oder Gedenkkultur
von Sportvereinen zu untersuchen. So erinnert beispielsweise in Offenburg
die Benennung des 1984 eingeweihten „Karl-Heinrich-Schaible-
Stadions" nicht nur an den bekannten Revolutionär, sondern auch an den
„Mitbegründer der Offenburger Turngemeinde" und „Sieger beim Deutschen
Turnfest 1846 in Heidelberg". In Lahr wird seit 1906 mit einem
Denkmal auf dem Schutterlindenberg der Revolutionsbürgermeister Wilhelm
Schubert (1813-1893) geehrt, der gleichzeitig auch Vorsitzender der
Lahrer Turner war.63

Zu den materiellen Zeugnissen der Erinnerungskultur gehören auch die
Gefallenendenkmale oder Gedenktafeln, die Ortenauer Sportvereine für ihre
Kriegstoten installiert haben und deren Entstehungs- und Rezeptionsgeschichten
näher zu beleuchten wären.64

Zu Reflexionen über gezielte Geschichtspolitik animiert schließlich das
Faktum, dass die Stadt Offenburg seit 2000 einen vielbespielten Veranstaltungsort
mit dem sportlich-friedlichen und recht unverfänglichen Titel
„Reithalle" präsentiert. Dieses Gebäude war aber niemals eine Reithalle,
sondern überwiegend als Exerzierhaus für militärischen Drill in Verwendung
und damit gar nicht so friedlich in seiner Funktion. In diesem Beispiel
wird die sportliche Terminologie instrumentalisiert, um eine militärische
Konnotation zu übertünchen.65


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