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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 561
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561

Mittelalterliche Stadtplanung in Wolf ach

Neue Erkenntnisse zur Entstehungsgeschichte der Stadt?

Die von dem Freiburger Architekten und Stadtplaner Klaus Humpert entwickelte Theorie
der mittelalterlichen Stadtplanung1 scheint auch bei der Entstehung der Stadt Wolfach eine
wesentliche Rolle gespielt zu haben.

Bislang wurde vermutet, dass in Wolfach zuerst die Stadtkirche entstand, danach sich
allmählich die Vorstadt entwickelte und erst später die Stadt jenseits der Kinzig angelegt
wurde.2 Eine genaue Analyse des Stadtplanes zeigt jedoch, dass die gesamte Stadt nach einem
einheitlichen Grundprinzip aufgebaut ist, das sich nach Humperts Forschungen erstmals
1030 in Speyer nachweisen lässt.

Dieses Prinzip basiert auf dem Satz des Pythagoras, der besagt, dass in einem rechtwinkligen
Dreieck die Flächensumme der Quadrate über den beiden kürzeren Seiten der
Fläche des Quadrates über der längeren Seite entspricht. Mit Hilfe ganzzahliger pythagoreischer
Tripel (beispielsweise 3, 4 und 5 und alle Vielfachen davon) und einer einfachen
Schnur lässt sich ein exakter rechter Winkel abstecken und somit ein am Reißbrett entworfener
Plan ins freie Gelände übertragen.3

Dem Wolfacher Stadtplan liegt ein Pythagoras-Dreieck mit den Seitenlängen a = 1.200
Fuß, b = 1.600 Fuß und c = 2.000 Fuß zugrunde (siehe Zeichnung 1), wobei die alte Maßeinheit
1 Fuß genau 32,4 Zentimetern entspricht.4 Die Seite a liegt auf der Längsachse der
Kirche, die Seite b verbindet den Kirchturm mit einem heute nicht mehr vorhandenen Turm
in der Grabenstraße und dem Hungerturm, die Seite c bestimmt die Lage der Stadtmauer in
der heutigen Bergstraße. Die rechte vordere Ecke des Schlosses, an der sich früher ein Turm
befand, liegt auf der Seite c und ist 1.200 Fuß von a und 300 Fuß von b entfernt. Der Verlauf
der Hauptstraße wird von zwei konzentrischen Kreisen mit einem Radius von 1.500
Fuß (Kinzigseite) bzw. 1.450 Fuß (Bergseite) bestimmt (siehe Zeichnung 2).

Zeichnung 1: Das Dreieck ABC bestimmt
die Lage von Kirchturm, Hungerturm und
Bergstraße. Zeichnung: Frank Schräder

Die Grundstücksgrenzen in der Vorstadtstraße
zwischen Mesnergässle und Funkenbadstraße
sind nahezu exakt auf das Stadttor
ausgerichtet, das 200 Fuß von der Seite b
entfernt ist. Der Krottengraben an der Bergseite
der Vorstadt sowie einige Gebäude
zwischen Funkenbadstraße und Engelsschulhaus
weisen direkt auf den Kirchturm.
Das bedeutet, dass bereits beim Bau der Kirche
, deren Fundamente im alten Chor aus
dem 12. Jahrhundert stammen,5 die Gesamtanlage
der Stadt auf beiden Seiten der Kinzig
festgelegt wurde. Wahrscheinlich ist mit
der 1148 erstmals erwähnten „villa wolfa-
cha" nicht, wie gelegentlich vermutet wird,6
das „Dorf Wolfach" um die Kirche gemeint,
sondern der zwischen Hungerturm und
Stadttor erbaute Herrensitz des seit etwa
1139 regierenden Freiherren Friedrich III.
von Wolva.7


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