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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 125
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„Trenderle" und „Holegrasch": Spuren jüdischen Brauchtums in der Ortenau

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Rust: „Die Wöchnerinnen hielt man, auch bei uns Juden, stets von Hexen
bedroht und heftete deshalb in ihrem Zimmer, an allen vier Wänden, Zettel
mit frommen Sprüchen und Gebeten an. Um das Bett der Wöchnerin wurden
jeden Abend Kreise gezogen, innerhalb derselben sich nichts Böses
heranwagen sollte. Daher stammt auch der Ausdruck ,Holechgrasch', der
den ersten Ausgang bedeutet und aus dem jüdisch-deutschen Wort ,Ho-
lech-Kreis' zusammengesetzt ist: Sie geht aus dem Kreis. Nachträglich erfuhr
ich, daß ,Holechgrasch' aus dem Französischen komme und bedeutet
,Hoch die Wiege!'"11

Nonnenweier: „Die Wöchnerin verließ das Haus erstmals einige Wochen
nach der Geburt, an einem Samstag. Ihr erster Wegführte in die Synagoge
. Am Nachmittag dieses Tages wurde zu Hause ein kleines Fest abgehalten
, die sogenannte Holegrasch, sowohl bei neugeborenen Mädchen wie
bei Jungen. Die Verwandten, vor allem aber die jüdischen Kinder aus dem
Dorf, wurden dazu eingeladen. Das Neugeborene lag in einem Korb, alle
Kinder stellten sich um den Korb herum. Zunächst wurde ein Gebet gesprochen
. Dann hoben die größeren Kinder den Korb mit dem Neugeborenen
dreimal in die Höhe und alle riefen dazu: , Holegrasch, Holegrasch,
wie solVs Bubbele heiße?' Dabei wurde der weltliche Name des Kindes genannt
. ,S Bubbele soll Schoschana heiße!' Anschließend bekamen alle Kinder
Schleckereien. In Nonnenweier kam dieses Ereignis jedoch nur noch
sehr selten vor, denn es gab sehr wenig Nachwuchs. "12

Von 1900 bis 1912 war Pfarrer Heinrich Neu in Schmieheim tätig. Dort
hat er zahlreiche jiddische Wörter gesammelt, darunter auch einen Beleg
für „Houlegrasch: Bescherung bei der Geburtstagsfeier."73 Ebenfalls jiddische
Wörter hat Sigmund Lion in Euenheim aufgezeichnet für die Dokumentation
des Historischen Vereins. Dort erwähnt er auch „Cholegrasch:
Kindstaufe."74

Diersburg: Arnold Lederer erinnerte sich ebenfalls an Holegrasch. „Das
ist ein Brauch, der nur bei Mädchen der Fall war. Man vereinigte sich im
Haus und die anderen kleinen Kinder bis zehn, elf Jahre hoben es in seiner
Wiege auf. Ich glaube, wir haben gesagt: ,Hole, hole grasche, wie soll das
Kind heißen?' Und haben dann den Namen gesprochen und die Wiege auf
den Boden gestellt. Darauf haben wir wie beim ersten Schultag eine Tüte
bekommen oder einen Sack mit Bonbons. Wir haben sowohl in Diersburg
wie hier in Offenburg Holegrasch gefeiert. "75

Zur Namensgebung selbst meinte Siegfried Schnurmann: „Bei uns
feiert man keinen Namenstag. Natürlich weiß ich, wie ich zu meinem Namen
Siegfried kam: Bei uns nahm man den Vornamen eines Kindes immer
vom ersten Buchstaben des Vornamens des Großvaters. Mein Großvater
hat sich Sandel genannt, so jedenfalls ist er gerufen worden, wobei es sich
wohl nicht um einen hebräischen Namen handelt. "76


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