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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 127
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„Trenderle" und „Holegrasch": Spuren jüdischen Brauchtums in der Ortenau

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sondern deren Maßnahmen zu unterstützen". Dieser Beschluss ist ein Beleg
für jüdisches Bestattungsbrauchtum, denn mit der „Bewachung" war
natürlich eine Totenwache gemeint, die von den Juden selbstverständlich
gehalten wurde. Es muss für viele Angehörige sehr bitter gewesen sein,
von nun an ihre Verstorbenen in der Leichenhalle bis zur Beerdigung allein
zu lassen.

Das neue Verbot des Oberbürgermeisters wurde noch am selben Tag
durchgesetzt: „Herr Revisor Brand, Sturmbannführer der SS, teilt mit, er
habe vergangene Nacht viel Licht im Leichenhaus wahrgenommen. Er sei
in den Friedhof gegangen und habe dabei festgestellt, daß zwei Juden (darunter
ein Mann von ca. 26 Jahren) Totenwache hielten. Er habe den Friedhofaufseher
im Wagnerbräu geholt und ihn gebeten, mit auf die Polizeiwache
zu gehen und Anzeige zu erstatten. Die Polizei sei dann mitgegangen,
habe aber nichts veranlaßt. Der Friedhofsaufseher habe den Juden gesagt,
Sturmbannführer Brand habe die Anzeige erstattet. Dagegen verwahrt sich
dieser: Es sei nicht nötig gewesen, die Juden davon zu verständigen (wer
die Anzeige gemacht habe)." Aus der dokumentierten Anzeige geht im
Übrigen hervor, daß es den Juden bislang bei Tag und Nacht gestattet gewesen
war, bei ihren Toten Wache zu halten. Dazu hatten sie ein bestimmtes
Zimmer in der Friedhofskapelle reserviert bekommen. Die Einrichtung
des Raumes stellte die israelitische Gemeinde. Der Bürgermeister setzte
nun durch: „Ich ordnete an, daß das Zimmer sofort geräumt wird und die
Einrichtungsgegenstände in einer Kiste zusammengestellt werden. "81

Exkurs 2: Von Wirtshäusern, vom Essen und Trinken und von den Haaren

Eine Volkskunde der Ortenauer Juden wird viele Bereiche des Alltags- und
Festtagslebens erschließen können, wird Sportvereine und Zionistische
Ortsgruppen ebenso wie Logen und Synagogenchöre zu dokumentieren
haben. Die Unterschiede zwischen städtischem und dörflichem Leben werden
genau zu beachten sein. Drei Themen mögen diesen ersten Versuch
beschließen.

Jüdische Wirtshäuser

Um die rituellen Speisegesetze einhalten zu können, aber natürlich auch,
um sich mit anderen Juden treffen zu können, waren diese Treffpunkte
wichtig für die Landjuden. Wenige Beispiele: In Friesenheim betrieb bereits
Ende des 18. Jahrhunderts die Witwe des Lazarus Mayer eine koschere
Wirtschaft. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam eine weitere hinzu, das
spätere Gasthaus Linde.82 In Diersburg trafen sich die Juden im Badischen
Hof. Für Nonnenweier ist David Franks Wirtschaft belegt, „die beste Wirtschaft
im Ort und preiswert dazu." Nach Franks Tod wurde sie von der


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