Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 201
(PDF, 97 MB)
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Ein vergessener Brauch: Schülerpostkarten vom Gymnasium Euenheim

201

kränz. Der dritte Maulesel ist voll entwickelt und daher ein Mulus. Er hat
die Prüfung bestanden und wird nach antikem Vorbild mit einem Siegeskranz
geschmückt, auf dessen Schleife „Dem Mulus" geschrieben steht.
Außerhalb des Zeltes strahlt ihm die Sonne entgegen und verkündet die ersehnte
und mühsam erkämpfte Freiheit, auch wenn dort ein streng dreinschauender
Universitätsprofessor auf ihn wartet.

Da bis 1905 die Adressenseite einer Postkarte nur für die Anschrift und
nicht für Mitteilungen verwendet werden durfte, stand nur ein kleiner Teil
der Bildseite für die Korrespondenz zur Verfügung. Deshalb eine kleine
Aussparung auf dieser Seite. Hier notierten die Muli von 1904 „Die Bekränzten
erlauben sich nach gutem Erfolge freundl. Gruß". Unterschrieben
wurde die Karte von Josef Rest/Münchweier, Leopold Weil/Schmiehem,
Bertold Bleile/Karlsruhe, Nathan Moses/Kirchen, Isaak Baumann/
Schmieheim und noch von weiteren Schülern, deren Namen aber auf dem
Maulesel nicht entziffert werden konnten. Im Abitursverzeichnis sind noch
Otto Diehl/Pirmasens, Rudolf Dill/Heidelberg, Hermann Jäger und Arnold
Lion/Ettenheim aufgeführt.

Ein besonderer Hinweis soll Josef Rest aus Münchweier gelten. Er studierte
Geschichte und Geographie in Freiburg, promovierte und wurde
1929 Direktor der Universitätsbibliothek Freiburg. Schon 1912 wurde er
Mitglied im Historischen Verein für Mittelbaden und veröffentlichte im
selben Jahr in der „Ortenau" eine Abhandlung über die Ettenheimer Hexenverfolgung
im 17. Jahrhundert. Alle seine heimatgeschichtlichen Arbeiten
wurden 1986 vom Historischen Verein Euenheim in einem Sammelband
erneut veröffentlicht.

Vier der neun Abiturienten waren jüdische Schüler aus Schmieheim, Et-
tenheim und Kirchen/Altdorf. Nathan Moses aus Kirchen wohnte bei Pflegeeltern
in Altdorf. Im April 1925 heiratete er in der Altdorf er Synagoge
die Altdorferin Betty Dreifuss. Er ließ sich in Durlach, später in Karlsruhe
als Rechtsanwalt nieder. Am 22. Oktober 1940 musste er das Schicksal aller
badischen Juden erleiden. Mit seiner Frau und zwei Töchtern wurde er
nach Gurs/Südfrankreich deportiert. Er verstarb im Mai 1944 in Marseille,
während seine Frau im selben Monat nach Auschwitz verschleppt und dort
umgebracht wurde. Die beiden Mädchen konnten sich 1943 in die Schweiz
retten. Die Ältere der beiden, Frau Hanna Meyer-Moses, stellt sich seit
Jahren in Karlsruhe, in Euenheim und anderen Orten als Zeitzeugin zur
Verfügung. Erst kürzlich machte sie wieder trotz ihres Alters, sie ist 1927
geboren, die Reise aus der Schweiz nach Euenheim, als Schüler des Gymnasiums
einen Gedenkstein in Altdorf einweihten. Schon 1988 wirkte sie
bei der Herausgabe des Buches „Schicksal und Geschichte der Jüdischen
Gemeinden" mit. Das Schicksal ihrer Eltern wurde ausführlich im „Gedenkbuch
für die Karlsruher Juden" geschildert, auf das im Literaturverzeichnis
hingewiesen wird.


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