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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 277
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Im Namen der Hyazinthe

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der westlichen Giebelwand der Leutkirche St. Martin von Gengenbach das
Epitaph des verstorbenen Reichsschultheißen Franz Karl von Rienecker für
sich und seine Gattin am Ende des Epigramms den Vorübergehenden, den
er anfangs mit dem „STA, VIATOR" zum Innehalten aufgefordert hat, um
ein Amen für sich und seine Gattin. Die Jahreszahl der Grablegung erschließt
sich aus dem spielerisch eingebauten Chronogramm VoLente Deo
ConIVgeM seCVtVs („nach Gottes Willen ist er seiner Gattin nachgefolgt
") als 1771.3 Ebenfalls in Gengenbach fordert der Verstorbene eines
schwungvoll mit barocken Konvoluten eingefassten Grabsteins aus dem
Jahre 1724 den Passanten zum Innehalten, Lesen und Trauern auf:

„STA VIATOR LEGE ET LUGE".

Als letzter Grabstein aus der Zeit unseres Steindokuments sei in der weiteren
Umgebung als Parallele das zu unserem fast zeitgleiche Epitaph des
berühmten Johann Ossiander (1622-1697) in der Tübinger Stiftskirche zi-

* *

tiert. Dem „STA VIATOR" der Uberschrift folgt in der zweiten Zeile der
ebenfalls öfter vorkommende Topos „LEGE IN HOC LAPIDE, NISIIPSE
LAPIS FUERIS LUGENS" (Lies auf diesem Stein, wenn Du nicht selbst
aus Stein bist, in Trauer)! Auch hier werden alle Lebensdaten und Ämter
aufgelistet mit dem Hinweis, dass drei Schritte von hier der Tote begraben
liegt. Bei unsern Grabstein sind es vier Schritte bis zur Gruft!

Eine für uns besonders interessante STA VIATOR-Parallele ist die
Grabinschrift für den am 11.12.1843 verstorbenen Offenburger Gymnasialprofessor
Joseph Schwemmlein. Sie wurde für den geliebten Lateinlehrer
in 58 Zeilen klassischen Lateins verfasst von dem „ehemaligen Zögling
des Verstorbenen K. L. Müller". Veröffentlicht hat sie dessen Kollege, der
Direktor des damaligen (Grimmelshausen-)Gymnasiums Prof. Franz Weißgerber
, bereits im „Offenburger Wochenblatt" vom 15.12.1843. Beginnend
mit dem bekannten „Sta viator" und anschließendem „siste gradum"
(hemme deinen Schritt) beendet der lateingeschulte Verfasser die „Grabschrift
" mit einem unserer steinernen Inschrift vergleichbaren Schluss:
„Mitte preces pro illo ad Deum et abi!" (Schicke Bitten für ihn zu Gott und
geh dann weiter). Die deutsche Übersetzung veröffentlichte Direktor Weißgerber
eine Woche später im Wochenblatt von 22.12.1843.4 Diese Tradition
barocken Totengedenkens fand also hier 100 Jahre nach unserer steinernen
Hyacinthusinschrift eine papierene Fortsetzung in einer führenden
Offenburger Zeitung.

Auch wenn das franziskanische Minoritengymnasium am Nordostende
der Stadt 1823 in das Kapuzinerkloster an der Südwestecke der inzwischen
mediatisierten Freien Reichstadt Offenburg verlegt worden war und beide
Klöster durch die Säkularisation schon 1803 aufgelöst worden waren, konnte
man hierfür 1843 offensichtlich noch ein breites lateinkundiges Publikum


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