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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 278
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Manfred Merker

voraussetzen. Auch hier muss der Nachruf für den, allerdings schon lange
vorher von seiner „Krankheit zum Tode" gezeichneten Verstorbenen vorformuliert
gewesen sein. Im Barock war es ebenfalls üblich, einen Grabstein
schon zu Lebzeiten in Auftrag zu geben, so dass wir bei unserer Grabinschrift
davon ausgehen können, dass der Tote auch der Verfasser ist - es sei
denn, dass auch er (als Novizenmeister oder Lektor) einen begabten Lateinschüler
wie Prof. Schwemmlein hierfür gefunden hätte!

Vorstehende Beispiele wurden zu unserem Grabstein in Parallele gesetzt
, um ihn einmal in die lange praktizierte Tradition barocker Epitaphienepigramme
zu stellen, zum andern aber auch deswegen, um seine originäre
Besonderheit und Bedeutung heraus zu stellen. Das soll nun im Einzelnen
anhand einer dem Text folgenden wortwörtlichen deutschen Nachübersetzung
der lateinischen Sandsteininschrift geschehen, die dann weiter unten
um eine freie deutsche Nachdichtung ergänzt wird.

Die lateinische Grabinschrift

Der obere Teil des Grabepigramms, der mit 10 von 25 Zeilen und 58 cm
von 128,5 cm knapp die Hälfte der Inschrift ausmacht, ist ein wacker gereimtes
Stück barocklateinischer Grablyrik. Abgesehen davon, dass es in
der Dichtung des klassischen Latein keine Reime gab, sie sogar als verpönt
bewusst vermieden wurden, ist es schon ein erstaunliches Vorhaben und
auch eine beachtliche Leistung, eine Grabinschrift in einem streng reglementierten
Kloster zum Teil lyrisch zu gestalten. Fast die gesamte übrige
klassische und barocke Lateinepigraphik auf Trauermonumenten weist die
Form des elegischen Epigramms auf: Im Metrum des Daktylus folgt in den
bekannten Distichen auf einen Hexameter alternierend jeweils ein Pentameter
, wie wir das aus altgriechischen und lateinischen Grabinschriften,
aber auch aus den Elegien der römischen Liebeslyrik von Catull bis Ovid
kennen. Ein schönes Beispiel finden wir auch auf dem oben erwähnten
Grabmal des Caspar Widt an der südlichen Kirchenmauer von Heilig
Kreuz in Offenburg. In seinem Doppeldistichon beklagt der katholische
Pfarrherr aus Straßburg „die gefährliche Seuche der Reformation" und
stellt sich im ersten Distichon dem VIATOR, gut lateinisch rhythmisiert,
vor:

HOC QUIS SUB TUMULO LATITET SCIVISSE VIATOR
EXPETIS EN CASPAR NO (SC)I(T)E WYD A SUO

(„Wanderer, wenn Du erfahren willst, wer unter diesem Stein verborgen
ist, nun, so wisse(t), dass es Caspar Wyd ist, der von seinem ...").

Auf unsrem Grabstein im Kreuzgang dagegen wird ganz unüblich ein
lateinisches, nicht durchgängig rhythmisiertes Gedicht nach deutschem


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