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„Die entsetzlichen Rheinschnaken66
Worüber Goethe klagte, und woran Schiller litt
Johannes Werner
Sind es alten Wahns Phantasmen,
Die dem Boden als Miasmen
Stumm entsteigen und die Lüfte
Schwängern mit dem argen Gifte?
Heinrich Heine, Ganz entsetzlich ungesund
Und wie heiß es hier im Sommer ist! Die Weiden
schlucken den Wind, der draußen über dem Strom
immer geht. Und aus dem Schlamm steigt ein Geruch
wie Fäulnis und Kot und Tod.
Georg Britting, Brudermord im Altwasser
Wenn Goethe in den Jahren 1770 und 1771 aus Straßburg nach Sessenheim
kam, um seine geliebte Friederike zu besuchen, befuhr er mit ihr und anderen
oft den Rhein, blieb dann auf einer der zahllosen Inseln und wäre gern
noch länger geblieben, „hätten uns nicht die entsetzlichen Rheinschnaken
nach einigen Stunden wieder weggetrieben. Über diese unerträgliche Störung
einer der schönsten Lustpartien, wo sonst alles glückte, wo die Neigung
der Liebenden mit dem guten Erfolge des Unternehmens nur zu
wachsen schien, brach ich wirklich, als wir zu früh, ungeschickt und ungelegen
nach Hause kamen, in Gegenwart des guten geistlichen Vaters, in
gotteslästerliche Reden aus und versicherte, dass diese Schnaken allein
mich von dem Gedanken abbringen könnten, als habe ein guter und weiser
Gott die Welt erschaffen. Der alte fromme Herr wies mich dagegen ernstlich
zur Ordnung und verständigte mich, dass diese Mücken und anderes
Ungeziefer erst nach dem Falle unserer ersten Eltern entstanden, oder,
wenn deren im Paradiese gewesen, daselbst nur angenehm gesummet und
nicht gestochen hätten."1 So steht es in „Dichtung und Wahrheit", und es
wird wohl die Wahrheit sein; denn auch Karl Julius Weber, der nicht viel
später seine „Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen" schrieb,
nannte, nachdem er bei Rastatt am Rhein gewesen war, „die sogenannten
Rheinschnaken eine wahre ägyptische Plage"2 und neigte dazu, sie „für
lauter kleine Teufel zu halten"3. Weber dachte daran, dass Stechmücken
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