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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 451
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Jüdischdeutsch zwischen Kippenheim und Jebenhausen

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Als 1941 in Jebenhausen die ersten Juden deportiert wurden - im badischen
Kippenheim waren schon im Oktober 1940 alle Juden nach Gurs gebracht
worden - gab es für Inge und ihre Eltern noch einmal einen Aufschub
, weil der Vater als Kriegsversehrter um Verschonung gebeten hatte.
Von der Großmutter jedoch musste sich die Familie verabschieden. Erst
nach dem Krieg erfuhr sie, dass sie in einem Wald bei Riga in Litauen, zusammen
mit den anderen Deportierten, erschossen worden war.

Inge und ihre Eltern mussten das Haus in Jebenhausen verlassen und
nach Göppingen in ein „Judenhaus" ziehen. Die Schule in Stuttgart wurde
geschlossen, die Eltern mussten für geringen Lohn in einer Korsettfabrik
arbeiten, die Schlinge zog sich immer enger. Schließlich wurden im August
1942 die letzten Juden aus Göppingen deportiert. Inge und ihre Eltern
kamen nach Theresienstadt.

Dort verlebten sie drei entbehrungsreiche, mit Schrecken und ständiger
Lebensbedrohung angefüllte Jahre.5 Sie mussten mit ansehen, wie zahlreiche
Menschen immer wieder interniert wurden, an ihnen vorbeizogen und
weitergeschickt wurden in die Vernichtungslager im Osten, ein Schicksal,
das auch ihnen ständig drohte und dem doch alle drei wie durch ein Wunder
entkamen. Im Mai 1945 wurden sie befreit und wenige Wochen später
kehrten sie zurück nach Göppingen.

Der Vater fing wieder mit seinem Textilhandel an und machte sich somit
sofort daran, für den Lebensunterhalt der Familie zu sorgen. Doch die Wunden
, die der Familie Auerbacher zugesetzt wurden, waren zu tief. Sie ent-
schloss sich, nach Amerika auszuwandern und einen Neuanfang zu wagen.

Am 13. Mai 1946 verließ Inge Auerbacher mit ihren Eltern Bremerhaven
auf dem Schiff „Marine Perch", am 24. Mai legte der amerikanische
Truppentransporter in New York an. Ein neues Leben in einer neuen
sprachlichen Umgebung begann. Zwar sprach Inge mit ihrer Familie weiter
das vom Schwäbischen Jebenhausens der Mutter und vom Ortenauerischen
des Vaters stark gefärbte Deutsch. Sie bemühte sich daneben aber auch, so
schnell wie möglich ein amerikanisches Englisch zu sprechen, das keine
Rückschlüsse auf ihre ausländische Herkunft zulassen sollte.

Unglücklicherweise wurde kurze Zeit nach ihrer Ankunft in den USA
festgestellt, dass sie an Lungentuberkulose erkrankt war, was einen zweijährigen
Aufenthalt im Krankenhaus nach sich zog. In dieser Zeit war sie
nun hauptsächlich von amerikanisch sprechenden Personen umgeben. Die
Eltern durften sie nur ein Mal in der Woche besuchen.

Doch auch diese Zeit hatte ein Ende. Inge Auerbacher durfte endlich zur
Schule gehen und lernen. Sie war fleißig und ehrgeizig und machte trotz
der vielen Jahre, in denen für sie eine geregelte Schulausbildung nicht
möglich war, einen guten Schulabschluss. Ihr besonderes Interesse galt den
Naturwissenschaften und so studierte sie Chemie und arbeitete schließlich
in einem Krankenhauslabor.


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