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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 465
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Dramatische Veränderungen in der Natur in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts

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Später, bis zu Beginn der Sechzigerjahre, waren die Windschutzscheiben
der Autos noch so von zerplatzten Insekten verschmiert, dass es damals
zum Service der Tankstellen gehörte, die Scheiben bei jedem Tanken
zu waschen.

Im Gefolge dieser üppigen Insektenwelt als Futterquelle lebte eine für
heutige Verhältnisse nach Art und Zahl nicht mehr vorstellbar reiche Vogelwelt
, von der sich nur die Regenwurmverzehrer der Drossel- und Rabenvo-
gelarten bis heute gut gehalten haben, und man kann sich nicht mehr vorstellen
, welcher Artenreichtum winters an den damals noch an allen Häusern
üblichen und reich beschickten Vogelfütterungen vorgeherrscht hat.

Dann kamen die Gifte, etwa 1950 wurde das neu entwickelte DDT erstmals
großflächig eingesetzt, im Forst gegen Borkenkäfer, später gegen die
Maikäfer. DDT wurde als völlig ungiftig und unschädlich bezeichnet. Heute
weiß man, dass man damit fast die ganze Welt vergiftet hat. Als die
Forstwirtschaft den Einsatz bereits reduzierte, kamen die „Insektizide, Pestizide
, Fungizide, die Reihe der Unkrautvernichtungsmittel und Wuchs-
stoffhormone aller Art bis heute auf fast der gesamten Fläche der Landwirtschaft
und des Gartenbaus, vor allem im Obstbau zum Einsatz.

Ende der 50er bis Ende der 60er gab es eine richtige Euphorie für jede
Art Chemie. Als Extrembeispiel soll hier die Anwendung von „Tormona
80 und 100" erwähnt werden. Man konnte damit sehr fein dosieren und damit
das Wachstum der damals unerwünschten Buche hemmen. Der Vorgang
nannte sich „künstlicher Frost". All dies war wenig später verboten -
trotz des schönen Namens der Mittel: „Wuchsstoffhormon".

Sie sehen also, nicht die Vogelfänger Italiens und Afrikas und nicht unsere
Jäger haben die Vogelwelt zerstört, sondern wir selbst waren es mit
Gift, mit Monokultur, Schadstoffeintrag, Überdüngung, vor allem aber
durch die Millionen Lichter, die heute die Nacht zum Tag machen.

Aber es ist nicht nur die Vogelwelt, die durch den Niedergang der Insekten
leidet, es sind auch Frösche, Lurche, Reptilien, Fledermäuse und vor
allem ist es die Pflanzenwelt, deren Bestäubung größtenteils an die Insekten
gebunden ist.

Das Zusammenspiel der Abhängigkeiten innerhalb der Tierwelt und
zwischen der Tier- und Pflanzenwelt war gestört und voller Lücken.

Das Wohlriechende Veilchen, die Kreuzschlüsselblume, die Trollblume,
das Zittergras, die Silberdistel, die Arnika, die tausendfach blühenden und
märchenhaft duftenden Sommerwiesen sind nur noch Erinnerung.

Wir hatten als Kinder kleine Steine in das Taschentuch gewickelt und
die beschwerten Tücher in der Dämmerung hoch in die Luft geworfen. Die
zahlreichen Fledermäuse ließen sich irritieren und flogen die Tücher an.

Heute sind dort die Fensterläden, die offenen Speicher, die Insekten und
mit ihnen die Fledermäuse verschwunden. Mit ihnen verschwanden auch
die Rauch- und Mehlschwalben aus den Städten. Sie sind selbst auf dem


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