Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
89. Jahresband.2009
Seite: 430
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Wolfgang M. Call

folgung) schuldig gemacht hat, nicht mehr als Lehrer verwendet werden
darf. Wir bitten daher, das Gesuch des früheren Rektors Wiegert abzulehnen
." Eine weitere Ablehnung folgte am 1. August 1952.

Drei Jahre später schrieb Wiegerts Rechtsanwalt an das Justizministerium
:

„Die Zeiten des früheren Regimes liegen nun seit dessen unheilvollem
Ende mehr als 10 Jahre zurück. Was in diesen verflossenen zehn Jahren
sich alles unter dem Besatzungsregime abgespielt hat, braucht ja nicht weiter
ausgeführt zu werden. Es ist noch in frischer Erinnerung. Wie weit aber
heute schon die Entfernung geworden ist, zwischen den damaligen und
heutigen Anschauungen und Auffassungen, das zeigt die inner- und außenpolitische
Lage jeden Tag aufs Neue. Was man früher in Grund und Boden
mit einer nicht zu überbietenden Schärfe verurteilt hat - so z. B. den deutschen
Militarismus' - wird heute wieder bei uns und bei unseren früheren
Gegnern in den Himmel gehoben."

Der Rechtsanwalt schiebt das Verhalten Wiegerts dessen jugendlichen
Alters zu, da er dem Nazi Karl Rombach ausgeliefert gewesen sei. So verschiebt
sich Wiegerts Rolle vom aktiven Nazi zum Opfer des NS-Regimes.
Ein weiteres Argument, das für Wiegert spreche, sei die Tatsache, dass viele
der Mittäter nicht bestraft wurden. „Eine Reihe anderer, ebenfalls hinter
den Kulissen führend Beteiligter, deren Namensnennung früher oder später
auch heute an sich nichts zur Sache tut, konnten sich bis heute in ihr anonymes
Dunkel hüllen und nehmen heute da oder dort unangefochten ihre
Stellungen ein."24 Dem ist nichts hinzufügen. 1956 setztete sich der Offenburger
Bürgermeister Kilian Schenkel beim Präsidenten des Oberschulamtes
Freiburg ein, der jedoch eine Wiederverwendung noch für verfrüht
hielt. Die Vergehen seien „doch immerhin sehr schwer und sind von einem
großen Teil der Bevölkerung zur Kenntnis genommen worden."25

Am 8. Februar 1956 erhielt Wiegert den ersehnten Gnadenerlass. Die
durch das Synagogenurteil verlorengegangene Fähigkeit zur Bekleidung
öffentlicher Ämter wurden ihm wieder verliehen. Er wurde nachträglich
als „131er" anerkannt.

Was aus heutiger Sicht irritierend wirkt, ist der breite Zuspruch, den
Wiegert von prominenten Offenburger Bürgern aller (!) Couleur erhielt.
Darunter befindet sich der Verleger Franz Burda, Oberbürgermeister Karl
Heitz, der GEW-Bezirksverein, der Staatsanwalt Meyer und sogar das im
Dritten Reich verfolgte KPD-Mitglied Gustav Rothenberger26. Die GEW
schreibt: „Seine Verurteilung wurde allgemein bedauert, war man doch
überzeugt, dass er das Opfer seiner irrigen politischen Weltanschauung geworden
war, die ihm gut zu sein schien". Der Oberbürgermeister Karl
Heitz schreibt: „Wiegert wurde verurteilt, weil er unbestreitbar an der Organisation
des Protestmarsches teilgenommen hatte, die ebenso unbestreitbar
zu gleicher Stunde in hundert deutschen Gemeinden auf Weisung der


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