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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2010/0162
Heiligenleben und Alltag. Offenburger Stadtgeschichte im Spiegel eines spätmittelalterlichen Beginenlebens 161

Wort, sondern blieb stümmelin. Nur eine Rittersfrau auf der Burg
war freundlich zu ihm und seite gerne von got und von unsers Herren
liden. Das wird zum großen Thema der Vita: die Passion Christi
und ihr Auftrag zum Mitleiden, zur Solidarität mit den Schwachen
der Gesellschaft.

Das kleine Mädchen legte bei Tisch heimlich Brot und Fleisch
beiseite, um es den armen Kint, die ufdie bürg nach brotgiengent, zu
verteilen. („Nach Brot gehen" ist in der Vita der geläufige Ausdruck
für „Bettel".) Es wz im also gar wol mit der gesellschaft der
armen kinde. Die bettelnden Dorfkinder passen eigentlich nicht
in unser gewohntes Bild einer mittelalterlichen Burg, in der sich
Ritter und Pferde tummelten. Die Legendenschreiberin kann
diese im Burghof spielenden Kinder nicht einfach zur frommen
Erbauung ausgedacht haben. Hier erscheint Alltag.

Dasselbe vermute ich auch bei einem andern Bericht, in dem
zwei weitere Burgen der engeren Ortenau genannt werden. Gertrud
wollte, als sie ein wol gewachsene jungfrow worden, ins Kloster
gehen. Nu hette sü nitguotes (kein Vermögen), daz sü in ein kloster
moechte kummen, weil ihr Bruder den größten Teil des Besitzes heruntergewirtschaftet
hatte. Gertruds Schwager, der auf der Schauenburg
(bei Oberkirch) saß , schaute sich nach einem standesgemäßen
Ehemann für die junge Frau um und fand ihn in dem Ritter
Rickeidegen von der Ullenburg (bei Tiergarten). Die Bedingung
war: Er muoste sü ane guot nemen. Rickeidegen ging darauf ein,
nahm Gertrud zur Frau und stattete sie großzügig aus. Nuo waz sü
in der E und lebete in der E in grozer widerwertikeit ihres herzen und
ihres willen. Ihr Mann war ihr zuwider, denn er waz ein weltlich
unverstanden mann und nit ihres sinnes.15 Als sie im vierten Jahr mit
dem vierten Kind schwanger war, starb der Ritter. Und do sü ob dem
boum (Sarg) saz und in beklagen sollte, do mochte sü nit vil weinen.
Ihre Schwester hette gerne gesehen, daz sü durch der lüte willen ein
wenig me hette geklaget und geweinet, doch wollte sü sü nit heißen und
liez sü tuon wie sü wollte, denn sü hette lieber gelachet denn geweinet.16

Nach der Beerdigung zog Gertrud mit ihren Kindern zu ihrer
Schwester auf die Schauenburg. Wie üblich musste sie den sogenannten
Sterbfall entrichten, eine Nachlasssteuer für das Gut, das
die Rickeldegische Familie als Lehen bewirtschaftet hatte. Es gehörte
dem Kloster Schuttern. Also machte sich Getrud zusammen
mit ihrem Schwager und einem Knecht auf den Weg nach Schuttern
in der Hoffnung, daz man ir genediclich dete mit dem volle. Ein
Pferd sollte sie dort abliefern im Wert von sieben Pfund Pfennigen
.17 Und do sü herwider fuoren, do fuorent si für die stat Offenburg.
Und do sü gegen der stat kam, do kam sü in ein weinen, daz sü recht
hinflos von weinende. Also kam sü in ein jomer, daz sü gerne allewegen
in der stat were gewesen und erwant och nie (ließ nicht ab), untz sü
in die stat gezoch.18


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