http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2010/0215
214 Peter Stein-Fell
So wie vor den hohen Feiertagen pflegt man vor der Jahrzeit
die Gräber der Verstorbenen zu besuchen. Auf dem Grabstein wird
als Hinweis auf den Besuch ein kleiner Stein deponiert. Auf jiddisch
heißt dieser Friedhofbesuch „Uf Kejwerofes gehen", auf die
Gräber der Väter gehen. Abbildung 3 zeigt den Verfasser auf dem
Judenfriedhof zu Diersburg, wo er sich zum Grab von Lemle Stein
wendet, dem Großvater seines Großvaters.
Um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen, pflegen manche
Nachkommen am Jahrzeittag der Eltern zu fasten.
Das Kaddisch wird in der Synagoge vor der ganzen Gemeinde
und am Grab gebetet. Dies ist nicht ein eigentliches Totengebet,
sondern eine Lobpreisung des Höchsten. Das Wort leitet sich von
„kodausch", heilig, ab.
Jahrzeit ist der Tag, der dazu verpflichtet, wohltätigen Institutionen
Spenden zuzuwenden.
Wer Jahrzeit begeht, hat einen Anspruch darauf, am nächsten
Sabbat zur Vorlesung aus der Tora aufgerufen zu werden.
Das besonders intensive Studium heiliger Schriften (Lernen)
wird am Jahrzeittag als Pflicht erachtet.
Abb. 5: Wie erinnert man sich des Jahrzeit-Datums? Da der jüdische
Erinnerungsblatt Kalender als mondorientiert wesentlich vom bürgerlichen Kaien-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2010/0215