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318 Heinz G. Huber

„Fasnacht" zwischen Volkstumsideologie und NS-Propaganda

In der Anfangszeit der NS-Herrschaft gab es - sichtet man die
Renchtäler Lokalzeitungen - nur wenige Berichte über Fastnachtsveranstaltungen
. Die Zahl der Zeitungsartikel über Fastnachtsveranstaltungen
nahm seit 1935 erheblich zu und erreichte
1938 einen Höhepunkt. Nach der Machtergreifung befürchteten
die Nationalsozialisten offensichtlich, dem satirischen
Spott und dem subversiven Gelächter der Narren ausgesetzt zu
sein. So verboten sie bald, an Fastnacht „nationale Symbole" zu
verwenden oder in Parteiuniformen aufzutreten. Sie erkannten
jedoch bald das ideologische Potenzial und die manipulativen
Möglichkeiten der Fastnacht. Außerdem wurde die Fastnacht in
den Zusammenhang völkischer Ideologie gestellt.

Auch die Fastnacht in Nußbach wurde aus der Perspektive der
nationalsozialistischen Volkstumspolitik umgedeutet. In einem
Artikel über „Alte Nußbacher Fastnachtsbräuche"38 heißt es:

„Wohl hat (!) die liberalistische Vorkriegszeit, die Not der Nachkriegsjahre
und der Zerfall hodenständigen Brauchtums im 19.
Jahrhundert (?) viel urwüchsiges Volksgut im Renchtal verschwinden
lassen. Billiger und sinnloser Ersatz der bäuerlichen (!) Fasent
kam auf und ließ das gute Alte (!) in Vergessenheit geraten.

Diese „Dekadenztheorie" berührt sich mit nationalsozialistischen
Bestrebungen, eine ungebrochene germanisch-heidnische Tradition
aus dem Fastnachtsbrauchtum herauszulesen: H. E. Busse sah
im Fastnachtsbrauchtum den „Kult der Schicksalsgemeinschaft"
und brachte es in Verbindung mit dem von den Nazis proklamierten
„völkischen Erbe".39 Für den Nationalsozialismus war das
im Katholizismus wurzelnde Volksbrauchtum ein Ärgernis. Entsprechend
wurde die Schreibung von Fastnacht in „Fasnacht"
geändert: Die Beziehung zum katholischen Kirchenjahr und zur
Fastenzeit sollte damit verwischt werden. Volkstumsideologen
leiteten den Begriff von „faseln" (= gedeihen) ab und interpretierten
ihn als Fest des Wachstums, als altgermanisches Frühlingsfest
.40

In Nußbach wurde 1934 der „Gschudi", eine angeblich alte
Traditionsfigur, wieder ausgegraben. Sie bestand aus einem übergroßen
Schwellkopf mit Melonenhut, der von einem Mann dandyhaft
-heller Kleidung getragen wurde. Schon vorher gab es die
Tradition des „Gschudi-Verbrennens". Am Fastnachtsdienstag
wurde eine Puppe unter Klagen und Jammern durch das Dorf
getragen und vor dem Dorf den Flammen übergeben. Angeblich
gehörten Fastnachtsspiele wie Schaltkarch-Rennen und Kuhreiten
auch zur Nußbacher Tradition.41 Der „Gschudi", der angebliche
Spiritus loci der Nußbacher Fastnacht, hatte jedes Jahr seinen Auf-


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