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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2010/0435
434 Neue Literatur

Bosch, Manfred (Hg.): Oberrheingeschichten. Tübingen
2010, 384 S.

„Wie die zwei Seiten eines aufgeschlagenen Buches
", so der deutsch-französische Schriftsteller
Rene Schickele, sei das Land der Vogesen und das
Land des Schwarzwaldes, sei die Landschaft am
Oberrhein. Diesem lyrischen Bild entspricht eine
große literarische Tradition. Wickrams Schwänke,
Grimmelshausens Romane, Pfeffels Fabeln, Goethe,
Herder, Lenz und Büchner - und Johann Peter
Hebel: nur ein winziger Ausschnitt aus einem großen
literarischen Kosmos belegt bereits die Existenz
dieser fruchtbaren oberheinischen Literaturwelt.
Manfred Bosch, als bekannter Schriftsteller und Herausgeber
allen Literaturfreunden ein guter Begriff,
hat diesen schön gemachten Band in literarischen
Querschnitten angelegt. 89 Autorinnen und Autoren
, darunter bekannte wie weniger bekannte
Namen, werden in ihren Romanauszügen und Erzählungen
, in Essays und Gedichten vorgestellt
und erzählen jeweils eine eigene Oberrheinische
Geschichte. Ein Lesebuch, dem man in den Schulen
und Wohnzimmern beidseits des Rheins Heimat -
und Leser wünscht.

Martin Ruch

Schellinger, Uwe/Oswald, Rolf/Hoferer, Egbert:
Deportiert aus Nordrach. Das Schicksal der letzten
jüdischen Patientinnen und Angestellten des Rothschild
-Sanatoriums. Herausgeber Historischer Verein
für Mittelbaden - Mitgliedergruppe Nordrach.
Nordrach 2010, 96 S., viele Abb.
Nach einem Vortrag in den USA über Rene Schickele
, dem deutsch-französischen Schriftsteller und
Thomas Manns Weggefährten in den schwierig
werdenden 1930er Jahren, wurde ich Ende der
1990er Jahre von einem Zuhörer aufgeregt gefragt,
ob ich denn etwas über die Juden in Nordrach
wisse. Ich war zunächst reichlich erstaunt über
diese recht abwegig erscheinende Frage. Denn was
hatte jenen Fragenden im entfernten Amerika bewegt
, ausgerechnet sich nach dem Schicksal jüdischer
Bürger in der kleinen Gemeinde in der Or-
tenau zu erkundigen?

Doch die Verbindung war sehr bald hergestellt:
Badenweiler, wo Schickele, der im Elsass geborene

Vorreiter für ein vereinigtes Europa mit „menschlichem
Antlitz", bis zu seiner Emigration nach Frankreich
im Jahre 1932 mehr als ein Jahrzehnt lebte,
war zu jener Zeit einer der angesehensten Kurorte
für an TBC Erkrankte. Albert Fraenkel, jüdischer
Abstammung, Professor für Medizin an der Universität
Heidelberg, hatte den damals weltweiten
Ruhm der Stadt als Heilort für Lungenkranke mit
begründet. Er wendete die von ihm entwickelten
Therapien in zwei Sanatorien, die er selbst in Badenweiler
einrichtete, an und wurde so zum ,König
von Badenweiler'. Karl Jaspers war 1901 sein Patient
, und zehn Jahre später dann Hermann Hesse.
Doch die begehrten Behandlungen der Erkrankten
in dem schon von den Römern besuchten Badeort
waren kostspielig; nur gut betuchte Bürger des In-
und Auslandes, vielfach Juden, konnten sie sich
leisten.

Eine Alternative bot Nordrach. Fraenkels Heilmethoden
wurden auch hier angewandt; und zwar
vor allem in der Lungenheilstätte „Nordrach-Kolo-
nie". Die Gebäude stammten von der alten Glashütte
und Blaufarbenfabrik (Kobalt- und Fayencefabrik
) und wurden 1889 in ein Sanatorium für Lungenkranke
umgewandelt. Das ist insofern interessant
, als dass hier aus dem kobaldblauen Glas
Spucknäpfe für Tuberkulosekranke hergestellt und
über eine Apotheke in Zell a. H. weit über Nor-
drachs Grenzen hinaus vertrieben wurden. Gegründet
wurde die Heilstätte von Dr. Otto Walther,
einem engagierten Sozialdemokraten, der zuvor in
Frankfurt/Main eine Arztpraxis betrieben und diese
Ende der 1880er Jahre wegen der Sozialistengesetze
aufgegeben hatte.

Ganz den Frauen vorbehalten war das Rothschild
-Sanatorium, das 1905 von der „M. A. von
RothschikTschen Stiftung für lungenkranke Frauen
" erworben wurde. Adelheid de Rothschild hatte
1903 diese Stiftung zum Andenken an ihren Vater
ins Leben gerufen und damit den Kauf eines „seit
1900 existierenden, architektonisch imposanten
Sanatoriumsgebäudes in der Dorfmitte von Nordrach
" (S. 8/9) ermöglicht, dass Frauen jüdischen
Glaubens eine Heilungsstätte unter Einhaltung von
jüdischen Essensregeln und ihren traditionellen
Gebräuchen bot. Das Rothschild-Sanatorium war


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