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Johann Peter Hebels Denkspruch
an der deutsch-französischen Grenze
Wolter E. Schäfer
Wo der Rheinländische Hausfreund ist, ist sein Gehilfe, der
Adjunkt, nicht weit. Der Adjunkt ist bekanntlich Christoph
Friedrich Kölle1 (1781-1848), der 1809 Hebels Freund und
Vertrauter wurde, ein etwa dreißigjähriger Diplomat. Er hatte,
als er 1809 Hebel begegnete, schon eine gewisse juristische und
diplomatische Karriere hinter sich und war Legationssekretär
der württembergischen Gesandtschaft am Hof in Karlsruhe und
in gleicher Eigenschaft schon in Den Haag, an den Höfen in
München und - vor allem - in Paris gewesen. In Pariser Bibliotheken
hatte er Gelegenheit gehabt, mittelhochdeutsche und
frühe französische Literatur kennenzulernen. Auch als Schriftsteller
war er schon hervorgetreten, unter anderem durch Beiträge
in Friedrich Cottas „Morgenblatt für gebildete Stände"
und Gedichte in Taschenbüchern und Almanachen. Auch
einen „Versuch im alemannischen Dialekt" hatte er schon unternommen
. Doch blieben diese Dialektgedichte anonym (womöglich
durch die „Alemannischen Gedichte" Hebels angeregt,
die 1803 erschienen waren). Er war schon in briefliche Verbindung
zu maßgeblichen Literaten gekommen, zu Ludwig
Uhland vor allem und zu Berliner Romantikern. Als Literat mit
ähnlichen Interessen musste er Hebel willkommen sein. Mindestens
ebenso bestimmend war die Übereinstimmung in gesellschaftlichen
Neigungen. Beide schätzten die muntere Atmosphäre
in den Karlsruher Gasthöfen „Erbprinz" und „Bären"
und im „Museum", dem Treffpunkt der etwas anspruchsvolleren
Bürger, der Beamtenschaft und der Akademiker.
Bei solchen übereinstimmenden Neigungen und Interessen lag
der Gedanke nahe, sich auch in der literarischen Arbeit zu verbinden
. Hebel bereitete den „Rheinländischen Hausfreund"
vor, die Sammlung seiner Kalendergeschichten. Kölle wurde
zum aufmerksamen Kritiker der ausgewählten Texte. Mehr
noch: er trug seinerseits Erzählungen und Anekdoten bei, die
meist ohne stilistische Bearbeitung durch Hebel in die Kalenderjahrgänge
1811 bis 1814 aufgenommen werden konnten.
Schon in einem Brief vom Juni 1811 berichtete Hebel: „Der
Adjunkt ist der württembergische Gesandtschaftssekretär, der
mir bisweilen Anekdoten für den Hausfreund zuträgt."2 Eine
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