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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
93. Jahresband.2013
Seite: 134
(PDF, 86 MB)
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1 *\A Hansgeorg Schmidt-Bergmann

Text montiert und zitiert und somit neue literarische Konstellationen
schafft, die auf die eigene Zeit zielen:

In diesem Sinn nun kann der historische Roman das sein, was in
blühender Jugendzeit der Völker die epische Dichtung, ein Stück
nationaler Geschichte in der Auffassung des Künstlers, [...].39

Der Ekkehard erschien im Juni 1855 im Rahmen der deutschen
Bibliothek der Meidingschen Verlagsanstalt in einer Auflage
von 10000 Exemplaren und wurde im Morgenblatt für gebildete
Leser als „ein für die Geschichte des Romans epochemachendes
Buch"40 annonciert. Doch es fiel noch nicht auf den politischen
Resonanzboden, der für den Erfolg des Buches entscheidend
werden sollte. Bis 1865 hatte der Ekkehard lediglich drei Auflagen
erlebt, dann jedoch bis zu Scheffels Tod 1886 neunzig (und
bis 1943 dann 300). Damit ist der Ekkehard eines der ganz wenigen
Werke, die erst Jahre nach ihrer Veröffentlichung populär
geworden sind.

Verstehbar also, dass Friedrich Nietzsche Ende der achtziger
Jahre in seinem Ecce homo verärgert über Scheffels Erfolg notiert
: „Als ich das letzte Mal Deutschland besuchte, fand ich den
deutschen Geschmack bemüht, Wagnern und dem Trompeter
von Säckingen gleiche Rechte zuzugestehn"41 - was dem kritischen
Philosophen natürlich ketzerisch erscheinen musste.
Doch Nietzsche übersah hier, dass sich der herrschende „deutsche
Geschmack" nach 1848 ein intellektuelles Bezugssystem
geschaffen hatte, welches einer „tragisch" empfundenen kollektiven
Stimmungslage entsprang, in der die pessimistische Metaphysik
des Philosophen Arthur Schopenhauer plötzlich als ein
neues philosophisches Ordnungssystem ebenso populär werden
konnte wie wenige Jahre später die Kunstmetaphysik
Richard Wagners und eben auch Scheffels Roman Ekkehard - in
der Hoffnung auf „Erlösung" durch die Kunst haben diese Optionen
ihren gemeinsamen Fixpunkt. Dies macht vielleicht erklärlich
, dass auch das Werk Joseph Victor von Scheffels integriert
werden konnte in die kulturpolitischen Versuche nach der
Reichsgründung 1871, einen Bezugspunkt nationaler Gemeinsamkeiten
zu konstruieren. Der Begriff der deutschen „Kulturnation
" hat hier seinen Ursprung, und diese feierte sich mit den
Nibelungen in der Interpretation Wagners, mit der kriegerischen
Germania oberhalb von Rüdesheim oder dem Hermannsdenkmal
im Teutoburger Wald, und auch die Bismarck- und
Scheffeldenkmäler und Gymnasien sind noch heute Dokumente
dieser gewandelten nationalstaatlichen Perspektive.

In dieser historischen Konstellation wird das Werk von
Scheffels neu entdeckt. Sein in romantischer Tradition stehen-


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