Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
93. Jahresband.2013
Seite: 251
(PDF, 86 MB)
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Jean-Paul Sartre und das Elsass

„Schwester" wahrgenommen wurde (bis zu ihrem Tod 1969 aß
Sartre bei ihr jeden Sonntag zu Mittag). Statt ihrer übernahm
der elsässische Großvater die wirtschaftliche Versorgung (obwohl
bereits im Ruhestand, nahm er wieder seine Tätigkeit als
Deutsch- und Französischlehrer auf) und kulturelle Erziehung
seines Enkels (bis 1915 unterrichtete er ihn selbst). Damit
wurde Charles zur wichtigsten Bezugsperson für den jungen
Sartre. Der für beide wichtigste Ort in der Wohnung war die
mehrere tausend Bände umfassende und mit deutschen und
französischen Klassikern gleichermaßen gut bestückte Bibliothek
des Großvaters. Sie erschien Jean-Paul wie ein Tempel, Literatur
wurde für ihn zum Religionsersatz (Charles war Agnostiker
). Noch Jahrzehnte später schwärmte Sartre in seiner Autobiographie
Les Mots (1964):

So entschied sich mein Schicksal in derRue le GoffNr.l, in einer
Wohnung im fünften Stock, unter Goethe und Schiller, über
Moliere, Racine und La Fontaine, gegenüber von Heinrich Heine
und Victor Hugo.

(Sartre: Mots, S. 133, Ü: S.W.)

Ein deutsch-französischer Bildungssockel war also gelegt, doch
wo blieb das spezifisch Elsässische? Elsässische Autoren scheinen
in Charles' Sammlung keine Rolle gespielt haben, wohl
aber zwei elsässische Zeichner: der Straßburger Gustave Dore
(dessen drastische Darstellungen des Rolandsliedes den jungen
Sartre beeindruckten) und der Colmarer Jacques Waltz, besser
bekannt als „Hansi".

Neben diesem „geistigen Elsass" sollte Sartre schon bald
auch das reale (damals deutsche) Elsass kennen: Regelmäßig
fuhr Charles mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Enkel
dorthin, um seine Familie zu besuchen: den Bruder Louis
Schweitzer in seiner oberelsässischen Pfarrgemeinde Günsbach,
seinen Neffen Albert Schweitzer in Straßburg, wo dieser als
Vikar und Philosophiedozent arbeitete, und seine Schwester
Caroline Biedermann in Pfaffenhofen. Sie bewohnte dort das
ehemalige Haus ihres Vaters Philippe-Chretien Schweitzer, der
im Jahr 1900 gestorben war (35 Rue Albert Schweitzer), bis
heute bekannt als „Maison Schweitzer".

Im Parterre betrieb sie, zum Entsetzen der protestantischen
Verwandtschaft, ein Geschäft für Miederwaren. Ihre Wohnräume
befanden sich im oberen Stockwerk. Im letzten Friedenssommer
1913 sah der junge Sartre von dort oben zum ersten
Mal deutsche Soldaten, die die Dorfstraße entlang zogen (in Les
mots wurde die Szene nach Straßburg verlegt). Es sollte nicht


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