Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
93. Jahresband.2013
Seite: 261
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Jean-Paul Sartre und das Elsass

wo fast den ganzen Tag ihr Gedeck liegt, mit Serviettenringen, in
die sie mit Messern ihre Dienstnummern eingeritzt haben (...).
Von außen ist es noch ein Hotel - eines zweiter Klasse (offenbar
lassen sich vor allem kleine Leute in Morsbronn behandeln - diverse
Kassenpatienten). Aber sobald man es betritt, schlägt einem
ein Geruch von Vernachlässigung, von langsamer Fäulnis in die
Nase, der so typisch für evakuierte Gebäude ist Die Zimmer riechen
nach Schimmel (...).

Überall da, wo es Toiletten für Frauen und Toiletten für Männer
gibt, in den Schulen, den Postämtern und Rathäusern, nehmen
die Offiziere die Toiletten für Frauen für sich in Anspruch, man
schreibt darüber W.C. „Officiers". Das verleiht ihnen einen
Hauch von Fräulein, der gut zu ihrer Uniform passt, zu ihrer Wespentaille
. Ich gebe es gerne zu, die Offiziere sind das weibliche
Element der Armee. Und wir sind die Drohnen, mit unseren breiten
Latschen und starren Zügen, wir sind die Männchen (...).
Zweihundert Meter von unserem Hotel entfernt, hatte die Feldküche
Stellung bezogen, aber der Colonel Deligne verlangte, dass sie
wieder verschwände, da ihm der Anblick der Männer mit ihren
Essgeschirren den Appetit verderbe.

(Sartre: Carnets, S. 308-311, Ü: S.W.)

Das „Belle Vue" war für Sartre Wohn- und Arbeitsstätte, aber
auch sozialer Lebensmittelpunkt: Im Parterre befand sich eine
Telefonzentrale, die er zu bedienen hatte. Hier feierte er mit
Champagner und Gebäck das Weihnachtsfest 1939, hier erfuhr
er vom deutschen Angriff auf Belgien. Dazwischen vollendete
er seinen Roman Vage de raison und sein Essay über
Jules Romains. Ferner vertiefte er sich in französische und
deutsche Klassiker, darunter die Gedichte von Heinrich Heine
und Dichtung und Wahrheit von Johann Wolfgang Goethe (die
Bände hatte er in der Hotelbibliothek aufgespürt). Gut möglich
, dass Goethes Autobiographie ihn zu seiner eigenen inspirierte
.

Östlich vom „Belle Vue" befindet sich das Hotel-Restaurant
„Beau Sejour" (3 Rue de Haguenau), in dessen oberem Stockwerk
1939/40 ein Soldatenheim (Foyer du Soldat) der Heilsarmee
untergebracht war. Wenn Sartre Ruhe suchte, zog er
sich zum Lesen und Schreiben in diesen etwas düsteren Saal
zurück. Vielleicht hat ihn diese Lokalität zu seinem späteren
Stück Huis clos (Geschlossene Gesellschaft) inspiriert. In dem
1944 uraufgeführten Drama begegnen sich nach ihrem Tod
ein Mann und zwei Frauen in einem fensterlosen Hotel-Salon,
„Hölle" genannt. Doch obwohl die Tür nicht verschlossen


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