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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
93. Jahresband.2013
Seite: 262
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262 Stefan Woltersdorff

ist, scheuen sie den Schritt hinaus (In die Freiheit? In den
Krieg?).

Am östlichen Ortsausgang von Morsbronn-les-Bains, gegenüber
vom ehemaligen Bahnhof (heute „Syndicat des Eaux"),
liegt das frühere „Restaurant de la Gare" (4 Rue de Haguenau).
Heute ist die Inschrift kaum noch zu entziffern, doch im Winter
1939/40 war dies Sartres liebste Adresse, ein bescheidener
Ersatz für die Pariser Kaffeehäuser (und die Gasthöfe von
Brumath). Er feierte hier nicht nur das Neujahrsfest 1940 (mit
elsässischer „Choucroute"), sondern hielt sich auch sonst so
oft wie möglich in dem Gasthof auf, möglichst schon zum
Frühstück. Seinem Tagebuch vertraute er die Gründe dafür an:
Einerseits war die „Stub" besser beheizt als sein Hotel, andererseits
hatte Sartre an einer jungen Bedienung Gefallen gefunden
. Sie hieß Charlotte Maier, von Sartre „La belle Serveuse"
getauft. Als 1997 ein Sartre-Forscher die mittlerweile hochbetagte
Dame besuchte, konnte sie sich jedoch nicht mehr an
den Dichter erinnern.

Am 10. Mai, während Sartres zweitem Aufenthalt in Morsbronn
-les-Bains, begann der deutsche Angriff auf Frankreich,
der dem „Sitzkrieg" ein abruptes Ende bereitete. Da der Vorstoß
nicht am Rhein, sondern über Belgien stattfand, waren die
im Elsass stationierten Truppen zu quälender Untätigkeit verurteilt
. Um dieser und dem schlechten Wetter zu entgehen,
flüchtete Sartre am 18. Mai 1940 ins Thermalbad, wovon er
Simone de Beauvoir noch am gleichen Tag in einem Brief berichtete
:

Mein Leben ist fade und fleißig. Heute Morgen war ich baden in
der Badeanstalt Auch sie ist von oben bis unten besetzt - zumindest
12 Badezimmer, in denen man noch baden kann - von Soldaten
, die sich in den Badewannen oder daneben Betten aufschlagen
. Auch sie sieht jetzt komisch aus: sie ist ganz grün und in
dieses Aquariumslicht getaucht, das für Badeanstalten typisch ist.
Niedrige Flure, meergrün erleuchtet, mit dicken Wänden. Und
dann zu beiden Seiten Kabinen. Sie wirkt, ich weiß nicht, warum,
wie ein Bordell und ein alter Palast, nur weil man weiß, daß sie
jetzt von Männern bewohnt ist, die darin ihre Geschichte und ihr
Schicksal haben. Man trifft selbstverständlich überall Soldaten.
Das Wasser ist natürlich schwefelhaltig, warm und stinkt nach
faulen Eiern.

(Sartre: Briefe, S. 518)

Am 23. Mai erhielt Sartre die Nachricht, dass der Abmarsch
von Morsbronn-les-Bains unmittelbar bevorstand. Am glei-


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