Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
93. Jahresband.2013
Seite: 267
(PDF, 86 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2013/0268
Jean-Paul Sartre und das Elsass 0(y7

lehnt sich über das Geländer hinaus und murmelt: „Wie muss
das gut tunl"

(Sartre: Mort, S. 298f.; Ü: S.W.)

Wie in den vorangegangenen Kriegsmonaten führte Sartre auch
in Baccarat Tagebuch. Doch leider sind diese Hefte verloren
gegangen und bis heute nicht wieder aufgetaucht. Erhalten
blieb jedoch ein Teil seiner Korrespondenz mit Simone de Beau-
voir. Aus dem Elsass hatte Sartre ihr täglich mehrere Briefe geschrieben
, in Baccarat waren nur noch zwei pro Woche erlaubt.
Der erste datiert vom 2. Juli 1940, d.h. er wurde eine Woche
nach seiner Gefangennahme verfasst:

Mein liebenswerter Castor,

ich bin Gefangener und werde recht gut behandelt, ich kann arbeiten
und langweile mich nicht allzu sehr, und außerdem hoffe
ich, Sie recht bald wiederzusehen. Es verlangt mich so sehr danach
, mein süßer, kleiner Castor. Hören Sie, Sie können mir
schreiben: Soldat Jean-Paul Sartre, 20. Zug - Kriegsgefangenen-
Durchgangslager Nummer 1 - Baccarat (...). Ich liebe Sie mit aller
Kraft, ich denke immerzu daran, Sie wiederzusehen ...

(Sartre: Lettres, S. 282, Ü: S.W.)

Auch in den folgenden Briefen zeichnet Sartre das Bild eines
vergleichsweise angenehmen Lagerlebens, das er sogar mit
einem Campingurlaub vergleicht. Doch der Wirklichkeit entsprach
dies wohl kaum. Einerseits wollte Sartre wohl seine Lebensgefährtin
beruhigen, andererseits musste er auf die deutsche
Zensur Rücksicht nehmen. Unmittelbar nach seiner Freilassung
begann er mit der Arbeit an dem Roman La mort dans
Väme (1949), in dem er ein völlig anderes Bild entwirft: In der
ersten Woche gibt es nichts zu essen, etliche Soldaten sterben.
Als einer von ihnen wie wahnsinnig zu schreien beginnt,
verliert ein deutscher Wachsoldat die Nerven und eröffnet
das Feuer. Es gibt mehrere Tote und zahlreiche Verletzte. Der
Gefangene, der mit seinen Schreien das Massaker ausgelöst
hat, wird daraufhin abgeführt und grausam misshandelt. Der
Augenzeuge Gartiser berichtet davon:

Sie wollten ihn zum Schweigen bringen, einer steckte ihm die
Hand in den Mund, da hat er zugebissen. Oh, bei meiner Mutter!
Wenn du sie gesehen hättest! Sie fingen an, ihn auf Charabia
(Spottname für die deutsche Sprache; Anm. des Übers.) anzubrüllen
, man verstand sein eigenes Wort nicht mehr, sie stießen ihn
in eine Ecke des Pferdestalls und schlugen alle gleichzeitig auf ihn


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2013/0268