Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
93. Jahresband.2013
Seite: 578
(PDF, 86 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2013/0579
578 Neue Literatur

tritt begangen haben." Diesen Geist atmet
sein Tagebuch, das auch durch eine flüssige,
klare und logische Sprache brilliert.

Werner Otto Müller-Hill war vor dem Zweiten
Weltkrieg Rechtsanwalt in Freiburg, wo
auch seine Familie lebte. Heeresrichter war er
in Straßburg. In Baden-Baden befand sich das
Gericht der Kommandantur Oberrhein. Auch
aus Freiburg wurden 14-jährige Pimpfe zum
Schanzen in den Vogesen eingesetzt. Die Gefahr
des Hungerns drohte alltäglich, der Massenmord
an den europäischen Juden war ein
offenes, aber meist unausgesprochenes Geheimnis
. Straßburg und Freiburg, aber auch
Appenweier und Oberkirch sind erwähnt.
Ebenso Ängste und Sorgen um die Familie, und
ein sehr klares Bewusstsein, dass Krieg und
Völkermord auf das deutsche Volk zurückfallen
werden.

Das Buch fesselt - sowohl durch seine
nachvollziehbaren, heimatlichen Bezüge als
auch dadurch, dass hier ein Gerechter unter
den Militärjuristen zu Wort kommt. Man
muss gelesen haben, worunter Werner Otto
Müller-Hill gelitten hat, was ihn bewegt hat,
was er glasklar voraussah.

„Das menschenverachtende nationalsozialistische
Regime wurde durch willfährige
Richter und Staatsanwälte gestützt, die das
Recht pervertierten". Diesem „obiter dictum"
des Bundesgerichtshofes (BGHSt 41, 317 [329])
ist nichts hinzuzufügen. Werner Otto Müller-
Hill hat nicht zu diesen furchtbaren Juristen
gehört. War er deshalb ein Held des Widerstandes
? Müller-Hill hat sich selbst wohl nicht
so gesehen und hätte entsprechende Darstellungen
sicherlich von sich gewiesen. Aber ein
Mensch, der um des Menschen willen seine
Kompetenzen richtig und so umfassend wie
möglich genutzt hat, manchmal bestimmt
auch an der Grenze zur Selbstgefährdung.
Heute würden wir dies „passiven Wiederstand
" nennen. Die Erinnerung an Richter wie
ihn gilt es wachzuhalten. Er war nach dem
Kriege Oberstaatsanwalt in Offenburg. Ihm
eine Erinnerungstafel zu widmen hieße, an
Richter und Staatsanwälte zu erinnern, denen
Recht heilig ist. Und zu mahnen, dass Gerechtigkeit
heilig bleibt. Ralf Bernd Herden

Vom jüdischen Kinderheim zur Luisenklinik.
Die Geschichte des Friedrich-Luisen-Hospizes
in Bad Dürrheim 1912-2012. Hg. von Sven
Wahl und Uwe Schellinger. Bad Dürrheim,
Luisenklinik, 2012, 206 S., viele Färb- und
S/W-Abb.

In Bad Dürrheim bestand von 1912 bis 1939
ein „Erholungsheim für israelitische Kinder
und minderbemittelte Erwachsene", das „Friedrich
-Luisen-Hospiz". Bis zu seiner zwangsweisen
Auflösung 1939 fanden im Friedrich-Luisen
-Hospiz zwischen 1912 und 1937 etwa
11000 Kinder Erholung, und viele jüdische
Kindermädchen und Praktikantinnen erhielten
im Haus ihre Ausbildung. Es war eine bedeutende
Einrichtung jüdischen Lebens in Baden.
Zum hundertjährigen Jubiläum der Einrichtung
entstand das vorliegende Buch, das die
wechselvolle Geschichte des Hospizes erstmals
umfassend darstellt: Im Kaiserreich (Joachim
Hahn), in der Zeit des Nationalsozialismus
(Uwe Schellinger), als Reservelazarett (Olaf
Schütze), unter französischer Besatzung (Elke
Stadelmann-Wenz), als Kinderheim Schweizerischer
Schwestern (Jan Stoll, Dargleff Jahnke),
schließlich und bis heute als moderne Klinik
für Verhaltensmedizin (Sven Wahl) - kompetente
Autoren stellen diese einzelnen historischen
Abschnitte der Hausgeschichte dar.

Treibende Kraft bei der Erstellung des Erholungsheimes
war von Beginn an (und bis zu
seinem Tod 1931) der Karlsruher Geheime
Oberregierungsrat Dr. David Mayer und seine
Frau Marie. Das Hospiz war zunächst zur
Aufnahme von 76 Kindern eingerichtet. Am
28. Juli 1912 war die feierliche Einweihung,
Das Haus wurde streng rituell geführt; die
Aufsicht über die Küche hatte neben der
Oberin der Bezirksrabbiner von Gailingen, zu
dessen Bereich das Hospiz in Bad Dürrheim
gehörte. Zur Abhaltung von Gottesdiensten
wurde der Spielsaal neben dem Speisesaal im
Erdgeschoss als Betsaal verwendet. 1932 verfügte
das Haus zur Aufnahme von Kindern
über 105 Betten. Die meist 3- bis 15-jährigen
Kinder stammten nach einer Zusammenstellung
über die ersten zehn Jahre zu etwa einem
Drittel aus badischen Orten, zu zwei Dritteln
aus dem übrigen Deutschland sowie aus dem


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