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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
94. Jahresband.2014
Seite: 67
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2014/0068
Die Beschlagnahme der elsässischen Glocken während des Ersten Weltkriegs

mehr oder weniger von interessensüchtigen Unternehmern und
Kriegsgewinnlern unterstützt und ausgeführt wurden, ging das Reich
in der Glockenfrage vorsichtig vor. Es galt doch vor allem, im Auslande
den guten Schein zu wahren!"54

Die Wegnahme der Glocken wird als Plünderung, als Verbrechen
empfunden, welches den Dieben Unheil bringen
wird.55 Ein Gedicht, „Zum Glockenraub" betitelt, wurde sogar zu
diesem Anlass von Charles Zumstein verfasst.56

Der Ankauf der Glocken hatte einst oft große finanzielle
Opfer vonseiten der Bevölkerung gefordert; sie sind diejenigen,
welche das Dorf- und Pfarreileben gestalten und verbergen sich
hoch im Kirchturm. Die Leute hängen sehr an ihren Glocken,
wie Emile Herzog es schildert: „Denn nichts vermag aufs Volksgemüt
einen grösseren Einfluss auszuüben, wie Orgelton und Glockenklang
! Mit rührender Anhänglichkeit liebt das Volk die alten treuen
Kirchenglocken, die schon den Vätern und Ahnen geläutet haben und
noch späteren Enkeln und Urenkeln ins Herz reden werden ... Stumm
und mit schlecht verborgenem Zorne schauten die Leuten dem Treiben
zu; für uns alle erschien es als ein Verbrechen, dieses gewaltsame
Vergreifen an den geweihten Glocken. Scheu sah man um sich, man
flüsterte sich so etwas zu wie von Rache und unausbleiblichem Strafgericht
zu und schadenfroh sagte man: Das wird wohl für sie die
letzte Ölung sein! Denn in den Vogesen donnerten die Kanonen ..."57

Es scheint, dass die Behörde wissen wollte, wie die Beschlagnahme
durch die Bevölkerung empfunden wurde! Man erwartete
anscheinend große patriotische Begeisterung. Der lutherische
Pastor von Eckirch antwortet lakonisch dem Bürgermeisteramt
Markirch: „Eindruck der Gemeinde bei Wegnahme derselben
: Natürlich Bedauern."

Wie Emile Herzog anlässlich der Beschlagnahme der Münsterglocken
in Colmar berichtet, war Vorsicht geboten: „Ratlos
sehen wir dem Treiben zu, sprechen dürfen wir nicht, laut denken
auch nicht, denn man ist immer beobachtet und mit einem Tuss
stehen wir immer im Gefängnis oder wenigstens im Schützengraben
."^

Der Lehrer aus Sesenheim schildert die Bedenken der Bevölkerung
anlässlich der Abnahme der Glocken: „Es erregte bei den
Einwohnern der Gemeinde eine recht wehmutige Stimmung, als die
Kunde von der Beschlagnahme der Kirchenglocken zu ihren Ohren
drang. Viele konnten und wollten es durchaus nicht fassen, dass die
kostbaren Kleinode, die an Sonn- und Testtagen so feierlich zum
Hause des Herrn gerufen und in dieser Kriegszeit schon so manchen
glänzenden Sieg im Jubelton verkündet hatten, nunmehr dazu verwendet
werden sollten, dem Teinde die verderblichen ehernen Grüße
zu überbringen. Doch nach und nach gelangte man zu der Ansicht,


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