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Inflation und Notgeld in Schiltach 1914-1923 4ß5
gen Händlern, die Annahme noch über Weihnachten zuzulassen
.56 Anfang 1924 endete die Nutzung des lokalen Gelds jedenfalls
in Schiltach. Der Großteil wurde im Anschluss vernichtet
, wobei sich in zahlreichen Haushalten auch heute noch
erstaunliche Bestände finden.
Erhalten hat sich aber auch eine Vielzahl von Belegen für
Geldscheine privater Unternehmen. Für Schiltach ist hier die
Textilfirma „Karlin" aus Lehengericht zu nennen. Der Zehn-
Milliarden-Schein versprach keine Absicherung über die Stadtkassen
, sondern verwies auf private Banken, in diesem Fall auf
die Vereinsbank Schiltach. Der graphisch beinahe identisch
gestaltete Zehn-Milliarden-Schein der Schramberger Firma
„Junghans" wies auf die dortige „Bankkommandite Blum &
Co." hin. Gemein ist beiden Scheinen neben der Herkunft aus
der Druckerei „Gustav Maier" in Schramberg auch der fehlende
Druck auf der Rückseite sowie die Unterschriften, gestempelt
auf die Noten. Einen staatlichen Vertrauensschutz besaß dieses
Geld nicht und dürfte so ebenso rasch wie das kommunale
Notgeld vom Markt verschwunden sein. Seine Existenz an sich,
entgegen der erwähnten Erklärung des Badischen Innenministeriums
, zeugt aber von der schwindenden Entscheidungsgewalt
auswärtiger Instanzen während der Notsituation 1923.
Mit dem Ende der Inflation waren viele Ursachen der wirtschaftlichen
Schwäche im Land nicht gelöst. Zwar sorgte die
Rentenmark für Währungsstabilität, der Umtauschkurs enteignete
jedoch die Sparer ihrer zumindest theoretisch noch
bestehenden Vermögen. Das Deutsche Reich entledigte sich
hingegen seiner Inlandsschulden. Aus den 156 Milliarden
Mark Staatsschuld der Kriegsanleihen waren so praktisch über
Nacht 0,156 Rentenmark geworden. Die Kriegsreparationen
waren in wertbeständigen Goldmark zu zahlen und damit von
der Inflation nicht betroffen.
Das geringste Problem der neuen Zeit war, dass die Stadtverwaltungen
zunächst keine Grundlage für Steuerbemessungen
mehr hatten57 und so für eine gewisse Unberechenbarkeit sorgten
. Dafür verband sich mit der Währungsstabilisierung auch
ein umfassender Stellenabbau im Öffentlichen Dienst, der vielen
Menschen nicht nur den Arbeitsplatz kostete, sondern
ihnen auch die Perspektive nahm. Erfolglos blieb so auch die
Bewerbung um freiberufliche Beschäftigung eines Rechnungsbeamten
aus Neustadt/Schw., der trotz seines vormaligen Beamtenstatus
„keine Aussicht mehr [sah], in den nächsten Jahren
wieder eine Anstellung im Gemeindedienst zu erhalten".58
Wer nur teilzeitbeschäftigt war, erhielt im Entlassungsfall
nicht einmal eine Abfindung.59
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