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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
95. Jahresband.2015
Seite: 535
(PDF, 94 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2015/0536
Stirbt mit dem letzten Zeugen die Erinnerung? C O C

nicht weiter mit der Geschichte des Nationalsozialismus beschäftigen
zu müssen. Laut Roth6 muss hierbei gefragt werden,
ob die mittlerweile unüberschaubare Anzahl von Publikationen
in Schrift, Bild und Ton und somit die in diesem Kontext
vielfach zitierte mediale Übersättigung am Nationalsozialismus
als Grund für eine schleichende Abkehr vom prominenten
Erinnerungsimperativ Nie wieder! angeführt werden darf.
Neben der Tatsache, dass es in einer freiheitlichen Gesellschaft
keine medial verordneten Zwänge einer Auseinandersetzung
mit der Geschichte des Nationalsozialismus gibt, blenden die
sich über eine Dauerrepräsentation echauffierenden Kritiker
die in Schulen stattfindende Beschäftigung mit der Geschichte
der ersten deutschen Diktatur in der Regel aus. Denn für die
dort lernenden Jugendlichen stellt die Behandlung der Geschichte
des Nationalsozialismus fast immer eine Erstbegegnung
dar.7 Durch die Brille eines Didaktikers gesehen, ist es
hierbei nur außerordentlich zu begrüßen, aus einem großen
Repertoire medialer Angebote schöpfen zu können, um hieran
im Modus der Dekonstruktion ein reflektiertes Geschichtsbe-
wusstsein zu fördern.

Das Verstummen der Stimmen der „letzten Zeugen",8 wie
der Spiegel erst zu Beginn des Jahres 2015 titelte, stellt sowohl
Lehrende als auch Lernende vor bisher ungeahnte Herausforderungen
. In absehbarer Zeit wird der Staffelstab der Erinnerung
vollständig an die nächste Generation weitergereicht werden
und zum ersten Mal in der Geschichte handelt es sich hierbei
um Erinnerungsträger, für die der Nationalsozialismus nicht
mehr Teil ihrer eigenen Biografie ist. Auch noch 70 Jahre nach
Ende der nationalsozialistischen Herrschaft muss sich eine seit
nunmehr 25 Jahren gesamtdeutsche Gesellschaft der Frage
stellen, mit welchen Erinnerungspraktiken der Geschichte des
Nationalsozialismus in Zukunft gedacht werden soll. Alarmierend
sind in Bezug auf diese Frage die Zahlen einer Umfrage der
Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2015, wonach sich 58 Prozent
der Befragten wünschen, einen Schlussstrich unter die
Geschichte der Judenverfolgung während der Zeit des Nationalsozialismus
zu ziehen.9 Zugespitzt ließe sich auf Grundlage
dieser Zahlen die provokative Behauptung aufstellen, dass die
Ablösung des Erinnerungsimperativs Nie wieder! mehrheitsfähig
ist.

Um den diesen Beitrag überschriebenen Fragesatz verneinen
zu können, bedarf es auch in Zukunft aktiver Erinnerungsträger
, die im Verlauf ihrer Bildungsbiografien selbstreflexive
Kompetenzen erwerben, „mit der sie die Rolle von Erinnerungskulturen
für die Auseinandersetzung mit der extremen


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