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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
96. Jahresband.2016
Seite: 96
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2016/0097
Johannes Werner

„In jedem Mai, an einem Sonntag sehr zeitig in der Früh,
traf man sich zum Abmarsch vor der Kirche. Der Geistliche
und die Ministranten zogen mit Fahnen und Gebetbüchern
vorweg. Männer, Frauen und Kinder gingen aufgeteilt in geschlossenen
Gruppen hinterher. Man hatte das Gebetbuch
dabei, den Rosenkranz und in der Tasche, die man sonst zum
Einkaufen benutzte, eine Vesper und eine Sprudelflasche voll
Kaffee oder Tee. Die jüngeren Kinder trugen kleine Tornister
und gingen mit ihren Müttern in den Reihen der Frauen. - Mit
Gebet und Gesang zogen wir aus dem Dorf hinaus, auf Wegen
zwischen blühenden Wiesen, an einem Waldsaum entlang,
hinauf durch einen Hohlweg, durch eines der kleinen Nester,
die damals weder Bus- noch Bahnverbindung hatten, und wieder
hinaus aufs Feld und durch die Wälder, meist leicht bergauf
. Man betete Gesetzchen vom Rosenkranz und sang Lieder,
vor allem Marienlieder/'10

Auf diese Weise zog man, noch um 1950, von Muggensturm
nach Moosbronn. Dass es sich hier nicht um eine Bitt-, sondern
um eine Dankprozession handelte, spielt keine Rolle, im Gegenteil
; wo Bitten gewährt worden waren, mochten auch weitere
gewährt werden - aber nur, wenn man sich, indem man
sich bemühte, würdig erwies.

„Im Tal jenseits lag die Kirche, das Ziel unserer Wallfahrt.
Doch zuvor mußte ,der Schmerzensbucker erklommen werden
, so wurde der Hang genannt, der hinaufführte. Es war ein
beschwerlicher Aufstieg, das Gelände war uneben und mit
schweren Gesteinsbrocken übersät. Es gab alte Frauen, die bis
ins hohe Alter an ihrem geleisteten Gelübde festhielten, sie
klammerten sich an den Steinen fest und hielten Ausschau
nach dem nächsten festen Halt. Ich sah auch Frauen, die unten
einen schweren Stein aufhoben und ihn, in ihre Armbeuge
gegen den Körper gepreßt, mit nach oben schleppten. Diese
Buße legten sie sich freiwillig auf, um ihre Sünden abzuarbeiten
/'11

Zuweilen zählte, wie es scheint, der Weg mehr als das Ziel;
so auch um 1860 und in der Offenburger Gegend. „Die gemeinsame
Kirche der Gemeinden Rammersweier, Zell-Weierbach
und Fessenbach, genannt der Weingarten, liegt einsam in den
Weinbergen. Steinige und steigende Wege führen von jedem
der vier Dörfer dahin. Diese ,Bußwege' wurden damals fleißig
begangen, um die Not fortzubeten."12 Schon der Held von
Grimmelshausens berühmtem Roman wallfahrtete nach Einsiedeln
„zu Fuß und dazu auf Erbsen"13, die er in die Schuhe
tat. (Aber da ihn die Füße bald sehr schmerzten, kochte er die
Erbsen und ging auf ihnen dann viel leichter weiter.) Und von


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