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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
96. Jahresband.2016
Seite: 98
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QQ Johannes Werner

ihn mehr als alle Leibeigenschaft an die Scholle bindet und die
vom Vater auf den Sohn stets dieselbe bleibt, die Stabilität und
Einförmigkeit aller Lebensverhältnisse, die Beschränkung, in
der die Familie das wichtigste, entscheidendste gesellschaftliche
Verhältnis für ihn wird - alles das reduziert den Gesichtskreis
des Bauern auf die engsten Grenzen, die in der modernen
Gesellschaft überhaupt möglich sind."20 Da war dann die Wallfahrt
eine, wenn nicht sogar die einzige Gelegenheit, diese
engen Grenzen zu überschreiten, andere Orte und andere Menschen
kennenzulernen.

Joseph Belli hat eine Wallfahrt beschrieben, die wiederum
um 1860 von Rammersweier ausging: „Da wallte man an den
Muttergottestagen fünf Stunden am Harmersbach nach Maria-
Zell. Das war für uns eine große Wanderung, die Sitten und
Gebräuche im schönen Kinzigtal kamen uns schon fremdländisch
vor. Unter schattigen Nußbäumen ruhten wir uns von
den Anstrengungen des Betens aus, dann entfaltete sich bei
den Großen oft ein recht weltliches Treiben. In Zell selbst mußten
die frommen Waller mit Massenquartieren vorlieb nehmen
. Ringsum an den Wänden und in der Mitte lagen die
Strohsäcke im großen Tanzsaal des ,Bären'. Hier lag das Völklein
kunterbunt durcheinander/'21 Wenn dann im Dunkeln
etwas geschah, was sich zu dem frommen Anlass nicht schickte,
dann „erhob sich Ferdinand der Zimmermann. In den finsteren
Saal hinein erscholl seine Stimme, die harte Strafpredigt
weckte auch die unschuldigen Schläfer."22 (Im 52. Band von
Zedlers ,Universal-Lexikon', der 1747 gedruckt wurde, heißt es
über die Wallfahrten, dass sie „mit mancherlei Gefahr und
Gelegenheit zur Sünde verknüpftet"23 seien, und diese Warnung
stammt schon von einem Kirchenvater aus dem 4. Jahrhundert
.24) Dass am nächsten Morgen jeder nach draußen
drängte, weil er „zuerst in der Kirche am Beichtstuhl seiner
Sünden ledig werden"25 wollte, hatte aber eher damit zu tun,
dass er sich auf diese Weise seinem Ortspfarrer entziehen
konnte.

Die Wallfahrer, die einzeln oder in ganzen Gruppen und
in hellen Scharen kamen, wollten freilich nicht nur beten und
singen, sondern auch essen und trinken und, wenn sie von
weither kamen, auch irgendwo übernachten, und wenn es, wie
erwähnt, nur auf irgendeinem rasch hergerichteten Strohlager
war. Auch spendeten oder stifteten sie etwas, und sie kauften
ein Andenken für sich oder ein Mitbringsel für die Daheimgebliebenen
: Kerzen, Bilder, Medaillen, Rosenkränze. Damit
stellten die Wallfahrten einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor
dar; davon erzählen an den genannten Orten noch die Kir-


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