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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
96. Jahresband.2016
Seite: 419
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Ein Dorfpfarrer widersteht den Nazis Q

Jahres 1938 wollte der Kirchenchor das Theaterstück „Christus
in der großen Stadt" aufführen. Dem Parteigenossen und
Bürgermeister auf dem Rathaus konnte das natürlich nicht
entgehen. So beeilte er sich, der Gestapo-Leitstelle in Offenburg
umgehend zu berichten, was der Kirchenchor vorhatte,
und am 11. Februar teilte er das Ergebnis seiner Wächtertätigkeit
dem Pfarrer mit:

„Hochw. Herr Pfarrer: Wie mir die geheime Staatspolizei Offenburg
mitteilt, bedarf die Aufführung des Theaterstückes der Genehmigung
. Sie müssen das zur Aufführung vorgesehene Theaterstück
zur Nachprüfung dem Kreiskulturstellenleiter vorlegen. Heil
Hitler/'

Und nun hat der Herr Kreiskulturstellenleiter, ein gewisser Herr
Steiger aus Offenburg, seinen großen Auftritt als Zensor.
Sorgfältig und gewissenhaft durchforscht er „Christus in der
großen Stadt", und teilt das Ergebnis seiner Studien schließlich
am 23. Februar 1938 dem Pfarrer mit:

„An das Erzb. Pfarramt Schutterwald:

,Christus in der großen Stadt' weist einzelne Stellen auf, deren
Tendenz verdächtig wenn nicht gar staatsfeindlich ist. Schon
das geschriebene Wort erweckt dessen Eindruck, der beim
Vortrag noch verstärkt und recht wirksam in die Erscheinung
treten wird." Als Beweis für den zersetzenden Inhalt des
Stückes führt der Herr Zensor an, dass „schon im zweiten Auftritt
des ersten Aktes Vinzenz den Goldpeter mit ,Grüß Gott'
begrüßt. Goldpeter antwortet: ,Nanu, ihr seid nicht von hier,
so grüßt man hier nicht/" „Diese Stelle", so erkennt der Kreiskulturstellenleiter
, „enthält eine offensichtliche Anspielung
auf den Deutschen Gruß" - womit er in der Tat gar nicht so
falsch lag!

„Im 1. Auftritt des 2. Aktes", so fährt der Herr Zensor dann
fort, „steht der Satz: ,Was nutzt ein toter Hauptmann der Bewegung
? Ihr treibt ein lustiges und gefährliches Spiel mit dem
Bollwerk eurer Leiber'." Und da erkennt der Zensor scharfsinnig
: „Ist das nicht eine Zersetzung und eine Hetze gegen den
Wehrdienst und offensichtlich läuft diese Unterhaltung auf die
Bestrebung hinaus den Machtanspruch des Nationalsozialismus
im Staate zu bestreiten. Nach den Anweisungen des
Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda RMfVP
vom 23. Juli 1935 sind solche politischen Bedenken vorhanden
, sodass also die Zulassung des Stückes abgelehnt wird. Gez.
Steiger Heil Hitler."


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