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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
96. Jahresband.2016
Seite: 474
(PDF, 85 MB)
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474 Florian Hellberg, Fiona Minet, Tina Schadt und Laura Stein

Warum steht ein jüdischer Grabstein alleine auf dem Feld?

Im Jahr 1789, bis wohin sich die Geschichte des Steines zurückverfolgen
lässt, war es Jüdinnen und Juden untersagt, ihre verstorbenen
Angehörigen auf christlichen Friedhöfen in Rheinbischofsheim
und (Neu-)Freistett zu bestatten. Vom gegenwärtigen
Standort aus war ein achtstündiger Fußmarsch nach
Kuppenheim zum dortigen Verbundsfriedhof zurückzulegen,
wo die in der nördlichen Ortenau verstorbenen Jüdinnen und
Juden bestattet werden mussten.

Aus diesem Grund stellte der Rheinbischofsheimer Jude Low
Simson am 20. Juli des Jahres 1800 einen Antrag bei der für ihn
zuständigen Regierung in Darmstadt. Er bat darin um „Einwilligung
", auf dem Schießrain ein eigenes Familienbegräbnis errichten
zu dürfen.

Bereits im Vorfeld versicherte er sich der Unterstützung seitens
der Rheinbischofsheimer Gemeinde. Nach Antragstellung
beauftragte die Regierung den Rheinbischofsheimer Amtsverweser
Wagner (dieses Amt entspricht einem heutigen Ortsvorsteher
), eine Stellungnahme zu verfassen. Wagner befürwortete
den Antrag und schlug darüber hinaus vor, sogar einen allgemeinen
Judenfriedhof zu errichten. Nach der Klärung der Fragen
nach einem geeigneten Ort und des zu entrichtenden
Kaufpreises ordnete die Regierung in Darmstadt eine Anhörung
der Rheinbischofsheimer Juden an.

Da diese Anhörung protokolliert wurde, lässt sich die Argumentation
bis heute rekonstruieren. Inhaltlich geht es darum,
dass nur drei Familien den Friedhof nutzen dürfen. Es handelt
sich dabei um diejenigen jüdischen Familien, die nicht dem
Kahnschen Geschlecht angehören. Denn die Kahns gehören
nach jüdischer Vorstellung der Sippe der Cohen an, worunter
als Priester zu bezeichnende Personen fallen, denen es laut jüdischer
Religionspraxis untersagt ist, mit etwas Unreinem -
und hierunter zählen dem jüdischen Glauben nach auch Verstorbene
- in Berührung zu kommen. Des Weiteren müssten
für die Bestattung fremde Rabbiner (jüdische Religionsgelehrte
) anreisen, die die Begräbniszeremonie begleiten.

Schließlich erfolgte die Einigung, gegen einen noch zu bestimmenden
Kaufpreis das Grundstück am Schießrain als jüdischen
Friedhof den drei Familien, die nicht dem Kahnschen
Geschlecht angehörten, zur Verfügung zu stellen.

Kurze Zeit später stellte sich jedoch heraus, dass lediglich
Low Simson, der Antragssteller, den Friedhof nutzen wollte.
Die anderen beiden jüdischen Familien aus Rheinbischofsheim
bevorzugten es weiterhin, ihre verstorbenen Angehörigen auf


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