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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
97. Jahresband.2017
Seite: 411
(PDF, 82 MB)
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„Von Anfang an auf Matt!" - Erinnerung an den
Schachmeister Emil Josef Diemer (1908-1990)

Martin Ruch

Die medizinische Diagnose über Emil Josef Diemer lautete
1965 bei seiner Unterbringung ins Kreispflegeheim Fußbach im
Ortenaukreis: „Prophetenwahn bei alter paranoid-halluzinato-
rischer Psychose". Aber es gibt ja über jeden Menschen verschiedene
Meinungen. Herbert Zoberst, der Emil Josef Diemer
25 Jahre lang kannte, weil er jahrzehntelang das Zweibettzimmer
in Fußbach mit ihm teilte, sagte es ganz schlicht noch
Jahre nach dem Tod Diemers: „Er war ein guter Kamerad. Er war
ein guter Mensch.

Emil Josef Diemer war ein von manchen vergöttertes, von
manchen verteufeltes Schachgenie. Er prägte eine ganz bestimmte
Spieleröffnung, die heute noch in der Fachwelt seinen
Namen trägt: Das moderne „Blackmar-Diemer-Gambit". Von
Anfang an auf Matt! war sein Grundsatz, den er mit Vehemenz
verteidigte gegen alle Taktiererei auf Remis. Einige Bücher sind
über diese Spielauffassung geschrieben worden, eine Diemer-
Gemeinde hat sich etabliert, auch im Internet (http://www.
emil-joseph-diemer.de), Gedenkspiele werden organisiert.
Einer seiner Schüler hat eine Biographie über ihn geschrieben,
die mehr Fragen offen lässt als sie beantwortet. Groß- und
Weltmeister versuchten das Diemersche Gambit, manche verwarfen
es, manche benutzten es.

Viele haben ihn im mittleren Kinzigtal gesehen und erinnern
sich gern, wie er morgens zu Fuß auf der Landstraße von
Fußbach, wo er im Lauf der Jahre freien Ausgang erhalten
hatte, nach Gengenbach ging, eine dürre, lange Gestalt
(1,90 m) mit weißem Bart. Man hat ihn dann oft in der Stadt
gesehen, im Cafe Birnbräuer etwa. Dort saß er immer am selben
Platz, las Zeitung, und telefonierte mit der ganzen Welt,
mit Gorbatschov oder Schäuble, und natürlich nahm ihn keiner
von denen mehr so ganz ernst, und die Wirtin bat ihn
schließlich, zum Telefonieren doch hinüber in die Post zu
gehen, dort würde er auch die anderen Cafegäste nicht stören.

Seit Eröffnung des Cafes im Jahr 1972 saß er hier auf seinem
Stammplatz, freundlich geduldet und immer willkommen bis
zuletzt. Die Wirtin meinte, es sei ein schmaler, ein hauchdünner
Pfad zwischen Genie und Wahnsinn, das könne man bei
ihm lernen. Der Gengenbacher Künstler Otto Lohmüller malte


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