Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
98. Jahresband.2018
Seite: 14
(PDF, 96 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2018/0015
1 A Ulrich Spitzmüller

kreis erzählt und damit der Nachwelt überliefert: Im Sommer
1916 arbeitete er als 15-Jähriger gemeinsam mit dem jungen
Zwangsarbeiter aus der Ukraine in einem Eichbosch. Sie sollten
zusammen einen Hang für das Abflämmen beim „Rüttibren-
nen" vorbereiten. Dabei entdeckte der Ukrainer ein junges
Fichtenpflänzchen, das er vor den Flammen retten wollte. Vorsichtig
grub er das Bäumchen mit beiden Händen aus und
setzte es noch am gleichen Tag an jene Stelle unweit des Hofes,
wo sie sich prächtig zu einem robusten Baum entwickelte.

Schon ein Jahr später war der Zwangsdienst für den jungen
Mann beendet. Nach der erfolgreichen Revolution von Lenin
im Herbst 1917 kehrten viele Kriegsgefangene nach Russland
und auch in die Ukraine zurück. Beim Abschied aus Nordrach
übergab er sein Passbild, verbunden mit einem Auftrag: Wenn
die von ihm gepflanzte Fichte so groß sei, dass sein Foto auf
dem Stamm Platz habe, sollte es zur Erinnerung an ihn darauf
angebracht werden: Aus der Fichte, mitten im Krieg gepflanzt,
sollte eine „Friedensuchte" werden.

Sein Foto ist längst verschwunden. Auf dem wuchtigen
Stamm wäre heute Patz für ein paar Dutzend Passbilder. Denn er
hat einen Durchmesser von 101 Zentimetern und einen Umfang
von 3,20 Metern. Nachlesen können Wanderer dies auf einer
Informationstafel, die vor einigen Jahren am Stamm angebracht
wurde, weil immer wieder Spaziergänger und vor allem Feriengäste
bei ihrem „Urlaub auf dem Bauernhof" wissen wollten, was
es mit der einsam auf weiter Flur stehenden großen Fichte auf
sich hatte. Seit 1964 ist das Wachstum des Baumes dokumentiert
: Damals betrug der in Brusthöhe gemessene Durchmesser
63 Zentimeter bei einem Umfang von 1,97 Meter.

Wegen ihrer freien Lage und mangels Konkurrenz von anderen
Bäumen wuchs die Fichte mit dem Alter nicht mehr
nach oben, sondern ging in die Breite. Mit den Jahren entwickelte
sie mit ihren ausladenden Ästen ein schützendes natürliches
Dach, unter dem eine ganze Festgesellschaft Platz hätte.
Statt dessen sind es jedoch Wanderer und Spaziergänger, die
gerne auf der Sitzbank am Fuße des Stammes Platz im Schatten
verweilen und den Blick auf die grüne Landschaft von Nordrach
genießen. Sie blicken auf die 1904/1905 erbaute neugotische
Pfarrkirche St. Ulrich mit ihrem 63 Meter hohen Turm
oder auf der gegenüberliegenden Talseite auf das 1904 von der
jüdischen Familie Rothschild erbaute schlossähnliche Gebäude
, das einst für jüdische Tuberkulose-Patientinnen errichtet
wurde und von 1942 bis Kriegsende 1945 von der SS und
vom Verein „Lebensborn" als Entbindungs- und Mütterheim
genutzt wurde.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2018/0015