http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pfeilschifter1921/0139
§ 20. Die Tätigkeit der Sammler u. Berater. Archivbenutzung u. -Reisen 121
das geschriebene Wort. Man hätte durch Reisen mehr Be*
geisterung geweckt und wäre viel sicherer und jedenfalls sehr,
sehr viel schneller ans Ziel gekommen. Besonders hätte viel
überflüssiges Hinundherschreiben, das selbst bei begeisterten
und kundigen Menschen wie P. Schuberth ergebnislos geblie*
ben war, weil er nicht klar ersehen konnte, worauf es ankam,
erspart werden können durch eigenes Zugreifen an Ort und
Stelle. Aber das fühlten seltsamerweise die um Mitarbeit
und Material Gebetenen auswärts viel tiefer, als das in St.
Blasien allem Anschein nach der Fall gewesen ist. Sonst hätte
man sich nicht erst so oft zum Reisen förmlich drängen las*
sen. Man steht hier wie vor einem Rätsel. Die Ungunst der
Zeiten kann nicht als Erklärungsgrund für dieses zurückhal*
tende Benehmen angeführt werden; denn P. Keller ist dann
gerade in den allerungünstigsten Monaten, als Frankreich
den Krieg an Österreich bereits erklärt hatte (20. April 1792)
und als man auch am Main auf Schlimmes sich vorbereitete,
doch nach und in Franken gereist. Ich kann mir nur denken,
daß es in St. Blasien selbst bei der Inanspruchnahme von
Kräften, welche die Zentralisation der Germania sacra auf
St. Blasien an sich schon verlangte, an einer genügenden An*
zahl von Patres fehlte, welche den Anforderungen und Auf*
gaben solcher Archivreisen nach allen Seiten hin gewachsen
waren.1) Jedenfalls ist es eine Tatsache, daß Archivreisen
viel zu wenig und zu spät ins Auge gefaßt und angetreten
worden sind. Das war ein folgenschwerer organisatorischer
Mangel. Die schlimmen Erfahrungen, welche man mit der
— man muß hier ganz ruhig urteilen — sehr vielfach auf das
Gefühl der eigenen Unerfahrenheit und Unkenntnis in archi*
valischen Arbeiten zurückgehenden Unlust von geistlichen
und weltlichen Archivaren, Bibliothekaren usw. machen
mußte, haben das nur alzu häufig bestätigt.
Natürlich hat man sich in St. Blasien dieser Einsicht nicht
verschließen können. Und so hat man sich eben doch zu
Reisen entschließen müssen. Bedauerlicherweise sind wir
über dieselben aus der Korrespondenz nur sehr ungenügend
l) Vgl. unten S. 143 u. 160.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pfeilschifter1921/0139