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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1982-2_3/0007
mit einem ungestümen Lerneifer befrachtet trat er in die Malschule Lovis Corinth's ein.
Hier traf der Kunstjünger den großen Lehrer den er sich schon immer gewünscht hatte.
Corinth gehörte seit 1902 dem Vorstand der Secession an.

Schon vor 1910 machte sich Oesterle öffentlich bemerkbar. Seinen Arbeiten begegnet
man bei den „Juryfreien" und auf fast allen Ausstellungen der „Secession", des „Deutschen
Künstlerbundes" und in der „Akademie der Künste". Die tonangebenden Galerien
Cassirer, Gurlitt, Neumann und Margules nahmen seine Grafiken in ihr Verlagsprogramm
auf. Zum Radieren hatte ihn sein Freund Hermann Struck angeregt, dessen
Publikation „Kunst des Radierens" (1909) in Fachkreisen große Anerkennung fand. Die
ersten Versuche mit der kalten Nadel waren schlichte Impressionen aus der märkischen
Landschaft, eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für den naturverbundenen
Menschen vom Lande. Trotz dem zum Teil skizzierenden Verhalten das schon Jean F.
Millet anwendete wurde die Tendenz zur Formstabilität spürbar. Das lineare Element
blieb immer dominierend. In der weiteren Entwicklung erfährt dies eine Bereicherung
durch eine gewisse Tonigkeit und Fleckwirkung. Auch die Aquatinta-Technik findet
Anwendung, vornehmlich bei den figürlichen Kompositionen. Neben der Ölmalerei hat
sich Oesterle mit vielen grafischen Techniken auseinandergesetzt. Auch die Monotypie
und der Holzschnitt erregten seine Experimentierlust. Licht- und Schattenverteilung,
Darstellungsmomente die sich vorzüglich die Impressionisten zu eigen machten, wußte
er ebenso geschickt einzusetzen wie die Ausdruckssteigerungen, die die expressionistische
Erlebniswelt bedingten. Dazu kommen noch die psychischen Momente, die in seinen
Schöpfungen nach dem Kriege eine bestimmende Rolle spielen.

Das soziale Engagement

Trotz allem Prunk und Glanz, den das großbürgerliche Berlin ausstrahlte, blieb Oesterle
die soziale Not nicht verborgen. Es ging ihm ebenso unter die Haut wie das Erlebnis auf
dem Kriegsschauplatz, die Nachkriegswirren, Arbeitslosigkeit, Hunger und Elend in der
Inflationszeit. Die Themen seiner Bilder drücken es aus. Im Umgang mit Baluschek,
Tappert, Zille und Käthe Kollwitz fand er sich auch in seiner sozial-humanen Einstellung
bestätigt. Oesterle war Sozialist aus innerer Überzeugung, deshalb bejahte er die
demokratische Republik. Er und seine Frau setzten den Sozialismus in die Tat um.
Manchen seiner Schüler hat er finanziell großzügig unterstützt, oft über das Maß seiner
eigenen bescheidenen Verhältnisse hinaus. Zusammen mit Käthe Kollwitz widmete er
sich der Bildungsarbeit in den Verbänden der freien Gewerkschaften. Die Kunstkommission
von Charlottenburg hatte ihn zum Beirat ernannt. Hier soll allerdings nicht verschwiegen
bleiben wie problematisch das Verhältnis der Erzväter der Sozialdemokratischen
Partei zur Kunst war. Rolf Hochhuth berichtet in einem Gespräch, daß nicht nur
August Bebel, sondern auch der geistige Papst der Partei, Professor Meh ring, ein äußerst
gebrochenes Verhältnis zur zeitgenössischen Kunst und Literatur hatte. Marie Oesterle
hatte sich entsprechend geäußert. Als 1924 der gesetzlich festgelegte Acht-Stundentag
erneut zur Diskussion stand, veröffentlichte die Berliner Künstlerhilfe einen Aufruf zur
Solidarität mit der Arbeiterschaft. Unterzeichnet hatten zahlreiche Persönlichkeiten aus
dem Kulturleben, auch Wilhelm Oesterle. Er gehörte ohnehin zur Generation derer, die
sich mit den täglichen Nöten des Lebens herumschlagen mußten, und den darüber
mehr oder weniger legendären Künstlerübermut längst eingebüßt hatten. Man suchte
im Süden kein neues Arkadien mehr, sondern wandte sich jenen Menschen zu, die verhärmt
und geplagt die Großstädte bevölkerten um in Mühsal und Kummer ihr hartes
Brot zu essen.

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