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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1982-2_4/0007
seit dem 14. Jahrhundert verwendet wurden, um die Inschriften einzufassen. Nur sehr zögernd werden
diese Dekore dem Zeitgeschmack entsprechend verändert; doch kommt es auch nicht selten
vor, daß man figurale und ornamentale Reliefs verschiedener Stilepochen auf einer Glocke vereint.

Erst im 18. Jahrhundert haben die Gießer überraschend einheitlich ihren Vorrat an Dekormodeln
auf den Stil der Zeit umgestellt. Diese Tatsache ist wohl als Folge der überstandenen Katastrophen
des 30-jährigen Krieges und des österreichischen Erbfolgekrieges zu werten. Hinzu kommt die
Schließung von Gießhütten, hervorgerufen durch die Konkurrenz der lothringischen Wandergießer
in Gebieten wie Württemberg-Hohenzollern und Bayerisch-Schwaben. Nachdem nun wieder genügend
Aufträge zur Verfügung standen, blühten auch die einheimischen Hütten wieder auf. Im Rahmen
der großen Umgestaltungs- und Neubauprogramme von Kirchen und Klöstern in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts haben Künstler, die an diesen Bauvorhaben beteiligt waren, den
Glockengießern neue Eigenmodelle für den Glockenschmuck geschnitten oder modelliert. Auf diesen
neuen Modelbestand greifen die Gießer dann auch bei anderen Gußaufträgen zurück. So haben
z.B. Ignaz Günther, Ägid Quirin Asam und Joseph Anton Feuchtmayer Model für Glockenreliefs
geschaffen, um nur einige der bedeutenden Künstler des 18. Jahrhunderts zu nennen.

Nach diesem Abriß der historischen Entwicklung ihres äußeren Erscheinungsbildes muß nun auch
die religiöse, soziologische und musikalische Bedeutung der Glocken charakterisiert werden. Dabei
ist die religiöse und soziologische Bedeutung eng miteinander verknüpft. Der Schlag der Glocken
ordnete das Leben des einzelnen, der Familie und der Gemeinde. Die »Sonntagsglocke« (Dominica
) verkündete den Beginn der sonntäglichen Messe; die Hora-, Prim-, Terz- und Vesperglocken
kennzeichneten sowohl das Stundengebet eines Klosterkonvents wie den täglichen Arbeitsablauf der
Gemeinde; beim Ton der Wandlungsglocke unterbrachen die Gläubigen ihre Arbeit und knieten,
den Kopf neigend, in Richtung zur Kirche nieder. An hohen Festtagen läuteten alle diese Glocken
gemeinsam.

Die Salve- und Angelusglocke mahnte die Gläubigen am Morgen, Mittag und Abend zu stillem Gebet
. In Erinnerung des Leidens Christi gab es am Donnerstag das »Angstläuten«, am Freitag zur Todesstunde
Christi läutete die »Scheideglocke«. Die Sterbe- und Totenglocke, heute in Süddeutschland
meist die einzige noch mit der Hand betätigte Glocke, ertönte beim Ableben und der Bestattung
eines Gemeindemitgliedes. Um diese Aufzählung zu vervollständigen, muß noch das Taufund
das Hochzeitsgeläute genannt werden. So stellten die Glocken im Ablauf des Tages und des gesamten
Lebens eine Verbindung zwischen dem Irdischen und dem Himmlischen her. Neben diesen
Aufgaben besaßen die Glocken in einer nicht zu trennenden Einheit von Glauben und Aberglauben
schon sehr bald Kräfte, die in Glockeninschriften wie »pello nociva« oder »fugo daemomia, fulgu-
ra frango« zum Ausdruck kommen. Bereits im 13. Jahrhundert erwähnt Wilhelm Durandus in seiner
Darstellung der Liturgie, dem »rationale divinorum officiorum«, das in einigen Gegenden bis
heute übliche Wetterläuten. Vom 16. bis in das 18. Jahrhundert hinein werden Salbeiblätter zur
Abwehr von Krankheiten und Salamander gegen Feuersbrünste auf die »falsche Glocke« appliziert
. Es ist anzunehmen, daß auf diese Weise das Anliegen des Gebetes, zu denen die Glocke ertönte
, unterstrichen werden sollte.

Über die musikalische Bedeutung der Glocken als Aufschlagdiaphon ist wenig bekannt. Die ältesten
geschmiedeten Glocken, wie z.B. der sogenannte »Saufang« von St. Gallen, müssen eher gescheppert
als geklungen haben. Theophilus, ein Mönch des 11. Jahrhunderts, empfiehlt in seiner
Schrift »diversarum artium schedula«, in der er sich ausführlich mit dem Glockenguß beschäftigt,
vier dreieckige Öffnungen in der Haube, sogenannte Foramina, zum guten Klingen der Glocken.
Für das 12. Jahrhundert bezeugt die Darstellung der Musik am Königsportal der Kathedrale von
Chartres, daß die Glocken,- hier in der zeittypischen Bienenkorbform dargestellt - als Musikinstrumente
betrachtet wurden. Später scheinen sie ihre Bedeutung als Musikinstrumente verloren zu haben
. Erst im 17. Jahrhundert kamen sie wieder zu musikalischen Ehren.

Die Klangfarbe und Rhythmik des Schlages paßten in das Klangbild der Barockmusik. So finden
sich an Orgeln dieser Zeit auch Manuale für Glockenspiele, wie es an der 1737 bis 1750 von Josef
Gabler erbauten Orgel von Weingarten erhalten ist.

Aufgrund dieser Verwendungsart können die Glocken wohl als Instrumente des Generalbaß-
Zeitalters angesehen werden. Obgleich der Generalbaß in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
seine Bedeutung für das Orchester verliert, bleibt die Stellung der Glocken innerhalb der Kirchenmusik
unverändert.

Die unveränderte kirchenmusikalische Bedeutung der Glocken im 17. und 18. Jahrhundert ist sicherlich
ein Grund dafür, daß sie auch Objekte bildkünstlerischer Gestaltung und damit in verstärktem
Maße zum Bildträger geworden sind. Zeigt sich darin aber nicht auch die starke Frömmig-

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