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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1982-2_4/0009
wurden schon im 16. Jahrhundert verwendet, um Glockeninschriften zu zieren; auch die Inschrift
selbst hat in der Formulierung eine lange Tradition: HANS HEINRICH WEITNAVER GOSS
MICH IN BASEL 1714.

Die Flankenreliefs mit Kreuzigungsgruppe und der Muttergottes im Strahlenkranz sind äußerst
qualitätvolle Arbeiten wohl des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Die Blattmasken an den Kronenbügeln
sind noch dem Knorpelstil der Zeit um 1600 verhaftet.

Recht irreführend ist die Benennung der Glocke: Silberglöckchen. Da dieser Name häufig vorkommt
, hatte man im Hamburger Glockenlager in der Zeit des 2. Weltkrieges, in das die meisten
Glocken zur Bronzegewinnung überführt worden waren, Materialanalysen durchgeführt.
Das Material hatte nur in sehr vereinzelten Fällen einen geringen Silberanteil. Dieser Silberanteil ist
wohl auf den Brauch zurückzuführen, während des Gusses eine Münze in die Glockenspeise zu werfen
.

Die beiden Glocken von 1729 aus der Werkstatt des Mathias Edel in Straßburg sind Werke einer
insbesonders in der Rheinebene sehr tätigen Gießhütte. Die größere der beiden Glocken (Marienglocke
) trägt die Schulterinschrift: (Hand)

LAVDETVR IESVS CHRISTVS IN AETERNVM CANTO DEO LAVDES INFERNI
DESTRVO FRAVDES SISTO IGNIS RABIEM PESTIFERAMQVE LVEM.
(Ewig sei gelobt Jesus Christus. Ich singe Gott das Lob, ich zerstöre der Hölle Betrug, ich lösche die
Wut des Feuers und der Pest). Unter dieser Inschrift befindet sich ein sehr dekorativer Fries mit einem
Vogel, der auf einer Fruchtschale steht. Dieses Motiv wird jeweils abgegrenzt von gegenständigen
Akanthusblatt-Voluten. Unter diesem Fries sind die für die Glockendekoration üblichen
Akanthuspalmetten in hängender Form angebracht. Auf der Flanke der Glocke befindet sich in einer
barocken Kartusche, die am Rand mit kleinen Kugeln besetzt ist, zum einen das Stadtwappen
von Kenzingen mit der Unterschrift: DER STADT KENTZINGEN GEHÖR ICH / WELCHE
HAT LASSEN GIESSEN MICH / DURCH MATTHAEUS EDEL / IN STRASSBURG ANNO
1729, und zum anderen das Relief der Immakulata mit der Taube des heiligen Geistes. Darunter befindet
sich die Inschrift: PER SANCTAM / ET IMMACULATAM CONCEPTIONEM / TV AM
O PVRISSIMA VIRGO MARIA/CONSERVA NOS AB OMNI MALO. (Durch deine heilige und
unbefleckte Empfängnis o reinste Jungfrau Maria, bewahre uns vor allem Übel).
Die kleinere (Agathagiocke) der beiden Matthaeus Edel-Glocken, trägt die Inschrift: LAVDETVR
IESVS CHRISTVS IN AETERNUM ISTE MEVS CLANGOR FERVENS SIT DAEMONIS
ANGOR SIT TERROR SAGIS SITQVE RVINA MAGIS (Ewig sei gelobt Jesus Christus. Dieser
mein glühender Klang sei Angst den Dämonen, schreckenden Hexen und zum Untergang den
Zauberern.) Unter dieser Inschrift befindet sich ein phantasiereiches Friesband mit geflügelten
weiblichen Fabelwesen die in Tierkörper übergehen und von einem Früchtekorb gekrönt werden.
Darunter wie bei der größeren Glocke vereinzelte hängende Akanthuspalmetten.
Auf der Flanke der Glocke sitzt wie bei der größeren Schwester, das Kenzinger Stadtwappen mit
der gleichen Unterschrift. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich das Relief der heiligen
Agathe mit der Unterschrift: PER INTERCESSIONEM ET MERITA / SANCTAE AGATHAE
LIBI(e)RA NOS DOMINE AB / OMNI IGNES FAME PESTE / ET MALA TEMPESTATE,
(Durch die Fürbitte und die Verdienste der heiligen Agatha befreie uns, oh Herr, vor Feuer, Hunger
, Seuchen und Unwetter).

Die Inschriften gerade dieser beiden Glocken stellen sprach- und geistesgeschichtliche Dokumente
dar, die Auskunft geben über die wirklichen Ängste und Befürchtungen vor den Unabwägbarkeiten
des Schicksals. Hier sind Glaube und Aberglaube kaum voneinander zu trennen.
Eine weitere historische Glocke aus dem Jahre 1758, die sich in der katholischen Spitalkapelle befindet
, soll nicht unerwähnt bleiben. Sie wurde von Johann Georg Straser gegossen. Dieser Gießer
stammt aus Regensburg und war seit 1757 in Donaueschingen tätig. Die Inschrift dieser Glocke lautet
: IN HONOREM DEI ET DEI PARAE VIRGINIS MARIAE - SS - PATRONRV(m)
'PANCRATI MART: (yris) / ET WOLFGANGI EPIS (copi) cvsa EST CAMPANA. ANNO
DOMINI 1758; sie zeigt auf der Flanke das Relief der Muttergottes im Strahlenkranz und auf der
gegenüberliegenden Seite ein Relief, das die Überreichung des Rosenkranzes durch die Muttergottes
an die zu ihren Füßen knieenden hl. Dominikus und Katharina von Siena zeigt. Diese Darstellung
fand im 18. Jahrhundert auch als Schutzplakette gegen die Pestgefahr Verwendung, ist aber auf
Glocken nur sehr vereinzelt anzutreffen. Auch scheint es, daß das Relief aus verschiedenen Modelabgüssen
in Wachs zusammengesetzt worden ist. Auch in dieser Glocke spiegelt sich also der
Wunsch der Bevölkerung wieder, ein so lebenswichtiges Gebetsanliegen wie das der Gesundheit
gleichsam dem zum Gebet rufenden Klang der Glocken beizufügen.

Dr. Frank T. Leusch,
Konservator

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