Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
3. Jahrgang.1983
Seite: 2
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Vergangenheit und Gegenwart

Die Faszination, die von der runden, vollen Zahl ausgeht, ist immer schon sehr groß gewesen
. Sie entspringt offenbar einem tieferen menschlichen Bedürfnis. Geburtstage, silberne
und goldene Hochzeiten, Dienstjubiläen sind Stationen im Leben, die aufmerksam
zur Kenntnis genommen und festlich begangen werden.

Bekanntlich gilt dies nicht nur für den einzelnen, sondern ebenso für jede kleinere oder
größere Gemeinschaft, die ein engeres Zusammengehörigkeitsgefühl besitzt: Vereinsund
Firmenjubiläen sind an der Tagesordnung, Universitäten besinnen sich auf ihre Anfänge
- ob diese nun 10 oder 500 Jahre zurückliegen - und selbst Bundesländer, zumal
wenn sie jung und sich ihrer Tradition noch nicht völlig sicher sind, blicken zurück auf
die Gründerjahre.

Da ist es legitim, wenn auch die Kommunen auf der Suche nach ihrer Identität sich der
herausragenden Ereignisse in ihrem »Leben« erinnern, zurückgehend bis auf jenen
Punkt, da das Gemeinwesen begründet wurde oder, sofern sich die eigenen Anfänge im
frühgeschichtlichen Dunkel unerkennbar verlieren, doch bis auf das Jahr der urkundlichen
Ersterwähnung, um ein festes Datum und einen erkennbaren, plausiblen Anlaß für
Jubiläen zu gewinnen.

1249/1283: Kenzingen ist in der glücklichen Lage, das Jahr der Gründung zu kennen und
seine Verfassungsurkunde - ein ganz wesentliches Element im Stadtwerdungsprozeß, wie
die Beiträge dieses Heftes zeigen-, unversehrt über die Zeiten gerettet zu haben. Die 700.
Wiederkehr des Tages, an dem der Stadt dieses ihr Recht verliehen worden ist, ist für jene
Bürger, die sich ein wenig für die Geschichte der Stadt interessieren, Grund genug zu gemeinsamen
festlichen Tagen.

Was allerdings, so wird der fragen, dem die Tatsache der sieben mehr oder minder glücklich
dahingeflossenen Jahrhunderte als Grund zum Feiern nicht genügt, was gibt dieser
Rückblick auf das Jahr 1283 heute noch her? Sagt uns der Verfassungstext von damals eigentlich
noch etwas? Sagt uns die Lebenssituation der damaligen Menschen, sagen uns
die politischen Verhältnisse noch etwas, in der die Stadt und ihre Bürger damals lebten ?
So direkt gefragt, muß die Frage wohl mit nein beantwortet werden. Unsere aktuellen
Probleme (Arbeitslosigkeit - oder auch Konsumüberfluß, Bedrohung der Umwelt, atomare
Bewaffnung und Kriegsgefahr, die internationalen Verwicklungen usw.), aber auch
die konkreten Lebensbedingungen in unseren Städten sind zunächst ganz andere als die
zum Ausgang des 13. Jahrhunderts. Die Probleme dieser Menschen, ihre Konflikte mit
der Herrschaft, die Spannungen zwischen den Ständen, die schlechte medizinische und
soziale Versorgung, Seuchen, Hungersnöte usw., sind nur noch zum Teil und zum Teil
auch nur scheinbar unsere eigenen Probleme. Insofern auch kann der berühmte Satz der
Antike, die Geschichte sei die »Lehrmeisterin des Lebens« (historia vitae magistra), nicht
in simpel-direkter Weise verstanden und angewendet werden, so als könnten wir aus der
Betrachtung der geschichtlichen Vorgänge Patentrezepte zur bequemen Bewältigung der
Gegenwartsprobleme gewinnen. Wir empfinden ja die Schwierigkeiten eines analogen
Bezugs schon, wenn wir unsere aktuellen Probleme etwa mit den Verhältnissen während
der Weimarer Republik vergleichen.

Was aber interessiert uns dann das Mittelalter? Nun, es wäre durchaus verständlich,
wenn uns gerade das andere, das Fremde, daran reizen würde, und der Reiz des Fremden
ist es sicherlich auch zunächst, der uns neugierig macht, die mittelalterlichen Verhältnisse
kennenzulernen. Dennoch gibt es, auf einer höheren Ebene, auch einen Bezug zur Ge-

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