http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1983-3/0010
Dieser Text des Kenzinger Stadtrechts, außerdem Gründungsbericht 16 Artikel umfassend
, ist nun zugleich ein wichtiges Zeugnis für die Frühgeschichte des berühmten
Freiburger Stadtrechts. Bekanntlich ist das älteste Stadtrecht von Freiburg nur in erweiterter
Gestalt und in einer späten Abschrift, nämlich in einem Güterbuch des Klosters
Tennenbach von 1341, überliefert. Daß die ersten 15 Artikel dieses Textes einen alten
Grundbestand des Freiburger Rechts darstellen müssen, wird nun durch nichts so sicher
erwiesen wie durch den weithin übereinstimmenden Wortlaut des Kenzinger Stadtrechts.
Zwar ist der Freiburger Art. 4, der den Bürgern die Wahl des Stadtrichters und des
Stadtpfarrers zugesteht, in Kenzingen nicht übernommen worden, und die beiden letzten
Artikel des Kenzinger Texts hatten in Freiburg kein Gegenstück. Im übrigen ergibt sich
aber aus der Parallelität der Texte zweifelsfrei, daß bei der Stadtrechtsverleihung an Kenzingen
1249 in Freiburg ein Stadtrechtstext vorhanden gewesen sein muß, der mit seinen
15 Artikeln den Kenzinger 14 Artikeln zur Vorlage gedient hat.
Nun gibt es zwar Hinweise darauf, daß diese frühen Freiburger Rechtssätze sogar
schon vor 1249 aufgezeichnet worden sind. Sie sind nämlich schon 1178 in Diessenhofen
am Hochrhein und 1228 (wohl um 1170/1180 durch das schweizerische Freiburg im
Üchtland vermittelt) im savoyischen Flumet übernommen worden. Nur im Kenzinger
Stadtrecht aber erscheinen diese Sätze in genau der selben Reihenfolge wie in Freiburg
selbst. Als die frühen Freiburger Tochterstädte Diessenhofen und Freiburg i. Ü. nach
1170 ihre Rechte erhielten, gingen sie also entweder mit ihrer Vorlage sehr freizügig um,
oder die 15 Freiburger Artikel waren noch gar nicht zu einer zusammenfassenden Aufzeichnung
gelangt. Der Kenzinger Stadtrechtsverleihung von 1249 hat aber jedenfalls erkennbar
ein Freiburger Text zu Grunde gelegen.
Noch eine letzte Bemerkung zum Verhältnis zwischen dem Kenzinger und dem Freiburger
Stadtrecht: Die 15 Freiburger Artikel, die für Kenzingen 1249 als Vorlage dienten,
gehören, wie man seit langem weiß, keineswegs alle schon dem Freiburger Gründungsprivileg
von 1120 an. Franz Beyerle hat sie schon 1910 den »Bewidmungstext« genannt, also
den Text, mit dem Freiburgs Tochterstädte »bewidmet« worden seien. Heute spricht
man mit Walter Schlesinger gern von der »erweiterten« im Unterschied zur »alten Handfeste
«. Das mittelalterliche Wort »Handfeste« will besagen, daß der Herr, der die Urkunde
ausstellen ließ, sie durch Handauflegen bekräftigte (»befestete«), weil er zumeist
nicht schreiben konnte. Zur alten Freiburger »Handfeste« Konrads von Zähringen von
1120 rechnet man heute nur die Art. 1-6 (r Kenzingen Art. 1-5), wobei manche Einzelfragen
allerdings noch immer streitig sind - sogar die Frage, ob diese alte »Handfeste« wirklich
schon 1120 entstand oder von den Bürgern Freiburgs erst nachträglich, gegen 1170,
angefertigt wurde. Für Kenzingen ist dieser Streit nicht von Bedeutung, denn 1249 lag bereits
der erweiterte, der »Bewidmungstext«, vor.
Das Kenzinger Stadtrecht beginnt mit dem Bericht, wie Rudolf II von Osenberg
jedem Siedler bei der Stadtgründung ein Hausgrundstück zugeteilt habe und setzt den
Jahreszins auf einen Schilling fest - ein Betrag, der gewiß in Silberpfennigen zu zahlen
war. Anders als in Freiburg ist in Kenzingen an dieser Stelle übrigens schon von den Mauern
der neuen Stadt die Rede !
Wichtig für das Gedeihen einer Gründungsstadt war die Sicherheit des Warenverkehrs
. Art. 1 gewährt daher den Marktbesuchern sicheres Geleit und Schadenersatz für
den Fall ihrer Beraubung.
Das Erbrecht von Frau und Kindern eines verstorbenen Bürgers, das Art. 2 ausspricht
, mag uns heute als Selbstverständlichkeit erscheinen. Im Mittelalter freilich war
beim Tode einer Person häufig ein Teil des Nachlasses oder ein wertvoller Gegenstand
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