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Der Wille der Verfasser
Im Namen Gottes, Amen. So beginnt die 1283 geschriebene Urkunde, die 700-jährige
Verfassung des Kenzinger Stadtrechts durch ihre damaligen Herren, Hesso IV und Rudolf III von
Uesenberg, die ein reifes Mannesalter erreicht hatten.
Was hat das zu bedeuten, daß der Name Gottes vorangestellt wurde? Den wichtigsten Urkunden
wurde stets bewußt der Name des Herrn aller Herren vorangestellt. Ihm, dem Höchsten und Allmächtigen
gebührte die Ehre. Sein Wort und sein Wille, seine Berufungen sind unabänderlich, sie
haben ewige Gültigkeit.
Das heißt, auf die Verfassung bezogen, daß die Herren Uesenberg ihrem eigenen menschlichen
Willen, Gottes Willen voranstellten und dadurch Rechte und Freiheiten in seine Hände legten, menschlicher
Willkür und Gewalt entzogen, in rechtlingen Dingen sich auf geistliche Beurteilung berufen
konnten, womit die meisten Streitigkeiten ausschieden.
Die Gründung der Stadt, die Stiftung der Verfassung, waren Hingabe eines hochherzigen
Geistes, mit Veräußerungen, Verpflichtungen, Aufgaben unbekannten Ausmaßes, unsicheren Ausgangs
, der Verteidigung der Stadt, Austragung oder Schlichtung von Streitigkeiten mit Nachbarn,
für den Stadtherrn verbunden. Ihm waren die schwierigsten Pflichten vorbehalten. In jener Zeit waren
keine ins Gewicht fallenden Vorteile mehr für Stadtgründer zu erhoffen. Es war ein hohes Wagnis
.
Der Stadtgründer selbst oder seine Nachkommen konnten in eine Lage geraten, wo sie die Gründung
und Schenkungen zutiefst bereuten, sie mit allen Mitteln gern rückgängig gemacht hätten,
denn die Städte haben bekanntlich kein Gedächtnis (wohl ein Archiv) und noch weniger ein lebendiges
Gewissen. Es bleibt im Verborgenen, einzelnen Wenigen überlassen. Am schamhaftesten wird
die Güte verschwiegen, welche die Hochherzigkeit, Selbstentäußerung einem Gemeinwesen entgegengebracht
hat. Auch das Gegenteil ist geschehen, so in Freiburg.
Was aber eine Person oder Vereinigung von Menschen im Namen Gottes bewußt beschließt und
ausführt, das ist nicht mehr rückgängig zu machen! Der Mensch ist nicht dazu fähig, weil ein hoher
menschlicher Willensakt sich mit dem Willen Gottes verbunden hat und ins Buch des Lebens eingeschrieben
wurde. An der Einhaltung und Treue entschied sich Schicksal.
Es ist unvorstellbar, welcher große Wert, welche Wirkung diesem Wort Gott beigemessen
werden muß. Es gibt kein wertvolleres außer ihm, weil es Glaube, Hoffnung und Liebe in sich vereinigt
und dem Menschen in Strömen und Bächen weitergibt. Eine Stadtgründung und der Willensakt
einer Verfassungsgebung, ausgehend von diesem Wort, hat ewige Gültigkeit, wird in hohem Maße
von Glauben, Hoffnung und Liebe getragen und zur ausführenden Tat bewegt.
Daß diese Herren Hesso und Rudolf recht bedeutende, gottesfürchtige, treue und großherzige
Menschen waren, bezeugen die in Urkunden selten vorkommenden Worte und Willensäußerungen:
Kenzingen zur Festung ausbauen zu wollen, daß sie allzeit zunehmend wäre, daß sie diese Feste ehren
wollen mit Gesetz und Freiheiten, wie die Stadt Freiburg geehrt und gefreit sei. »Weil dem nun
so ist, daß wir dieselbe Stadt (Kenzingen) mit aller Gunst und Freundschaft, die wir zu zeigen vermögen
, lieb haben, haben wir danach gestrebt mit unserer steten und demütigen Bitte von dem
Erlauchten Herrn Rudolf von Habsburg, von Gottes Gnaden Römischer König, erlangt, daß er
Kraft seiner königlichen Gewalt unsere vorgenannte Feste Kenzingen gefreit und bewehrt hat, mit
all den Rechten und all der Freiheit, womit die Stadt Freiburg von alters her, versehen und gefreit
ist.«
Diese Sätze adeliger Söhne muß man dreimal lesen um die ganze Tiefe und Entschlossenheit zur
Durchführung des Testaments des 1258 verstorbenen Stadtgründers zu vollziehen und mit ihrer persönlichen
Liebe und Kraft zu erfüllen, was sie denn auch getan haben.
Ins Werk der Erbauung der Stadt haben sie nicht nur ihre Befehlsgewalt, ihren Geist, ihre
städtebaulichen Fähigkeiten, ihr ganzes Können, sondern auch den Großteil ihres Vermögens einfließen
lassen. Sie haben in dieser Hinsicht ohne jeden Zeifel die Hauptlast getragen. Der Beweis
für diese Tatsache ist leicht zu führen, ohne gewaltige Geldmittel wäre keine Stadt entstanden. Die
Üsenberger entschlossen sich, viele Besitzungen und Lehensrechte zu verkaufen, sie ließen sich aber
auch immer wieder in Herren-Dienste verpflichten, um größere Einnahmen zu erhalten.
Aus ihrer Familiengeschichte geht hervor, daß sie sehr beweglich, aufgeschlossen, unternehmungslustig
, redlich denkend und flink waren. Nicht von ungefähr haben sie den Flügel in ihr Wappen
bekommen, als Kennzeichen ihrer hervorstechenden Tugend, dienstbereit, flugs, beflügelt und
begeisterungsfähig zu sein. Das Wappen und Siegelzeichen (Abb. 1 u. 2) den Flügel oder Flug haben
sie sich nicht selber gegeben oder gewünscht. Es wurde ihnen zugedacht, verliehen, nach bestimmten
Chraktereigenschaften, die im Vasallendienst zutage getreten waren.
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