http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1983-3/0041
Inhaltlich lehnen sich sowohl die rechtlich-ethischen Bestimmungen, wie die städtebaulichen
Vorstellungen eng an die Zähringer Stadtgründungen an. Auffallend ist die enge
Beziehung zum Inhalt der Freiburger Gründungsurkunde, die schon früh verloren gegangen
sein muß. Sie existiert lediglich in einer fragmentarischen Niederschrift des Tennenbacher
Urbar ca. 200 Jahre nach der Gründung.
Überprüfen wir die Kenzinger Urkunde auf die städtebaulichen Absichten ihres Gründers
können wir den Herren von Osenberg bestätigen, daß diese Stadt wohl gegründet
war. Sie ist in ihren baulichen Strukturmerkmalen bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben
; hier können wir auch Generationen von Kenzinger Bürgern bescheinigen, daß
sie traditionsbewußt mit diesem Erbe umgegangen sind.
Nach dem Inhalt der Urkunde sollte »die Stadt mit Mauern und mit Graben wohl bewehret
sein«. Ihre Anlage auf einer Elzinsel bot ihr zweifachen Schutz - einen natürlichen
durch das sie umgebende Wasser und einen durch die Mauer erbauten, die ihr lange Zeit
eine zusätzliche Wehr war.
Die Anlage einer breiten Marktstraße, die auch heute noch die ursprünglichen Maße aufweist
, bildete mit der heutigen Eisenbahnstraße - Brodgasse das Straßenkreuz, das
Haupterschließung und bestimmendes Gerüst für die weiteren Ansiedlungen war. Abgesetzt
davon - wie in Freiburg - der Platz für die spätere Kirche mit Kirchhof.
»Wer in dieser Feste wohnen will« - heißt es in der Übersetzung der lateinisch verfaßten
Urkunde: -Unicuique volunti infra muros Kenzingen domum construere aream haben-
tum in longitudine quinquaginta pedes et in latitudine triginta pedes - der soll 50 Fuß in
der Länge und 30 Fuß* in der Breite zu einer Hofstatt nehmen und dem vorgenannten
Rudolf, Herrn von Üsenberg, und allen seinen Erben einen Schilling Pfennige jährlich
am St. Martinstag von jeder Hofstatt als Zins geben.«
In diesem Passus der Urkunde, der einen erbpachtähnlichen Gewinn für den Stadtgründer
und dessen Nachfahren vorsieht, liegt die wesentliche Festlegung für den aus dem
Straßenkreuz sich entwickelnden Grundriß, wie wir ihn heute noch kennen und fast unverändert
täglich wahrnehmen.
Das Maß von »50 Fuß in der Länge und 30 Fuß in der Breite« ist in unserem Maßstab ca.
9,60 m x 16,00 m. Mit diesem vorgegebenen Maß war das Blockraster für das künftige
Straßennetz festgelegt. Im Lauf der Zeit wurden oft 2 Blocktiefen zu einer Hofstatt zusammengefaßt
, was dann ein Maß von ca. 9,60 m Breite x 32,00 m Tiefe ergab. Dieses
damals entstandene Straßennetz ist es vor allem, das 700 Jahre überdauert und nach
zahlreichen Kriegen und Feuersbrünsten kaum Veränderungen erfahren hat.
Anders verhält es sich mit der Nutzung und Gestaltung der Häuser. Während im 13.
Jahrhundert ein Grundstück von rd. 154 qm für eine Familie genug Raum für Wohnung
und Handel oder Handwerk bot, wurde der Raumanspruch mit der Zeit größer, umso
mehr, als die Kenzinger Bürger nicht mehr allein vom Markt, sondern auch zunehmend
von Landwirtschaft lebten.
Wesentliche Veränderungen der Breite der alten Hofstattmaße brachte der 30-jährige
Krieg mit sich, nach dessen Ende die Bürgerschaft auf rund ein Viertel der früheren Bevölkerung
geschrumpft war. Zahlreiche Feuersbrünste zerstörten die damals relativ leichten
in Fachwerk gebauten Häuser.
»Anmerkung: Es gibt bestimmte Thesen, die dazu neigen, dies als »Steuermaß« auszulegen.
Hier handelt es sich um ein »mittelalterliches Fußmaß«.
Nach einem Werk über Metrik gilt: 1 Fuß = 30-35 cm.
39
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1983-3/0041