Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
3. Jahrgang.1983
Seite: 45
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merkte gutgläubig ab. Eine gründliche Besichtigung, eine Deutung der architektonischen und
künstlerischen Gestaltungselemente dieses Raumes hat nie stattgefunden. Das zutreffende Lob von
Prof. Franz Xaver Kraus über den Künstler sei jedoch hier übernommen: »Über den Meister finden
sich nirgends Überlieferungen; doch er war ein Künstler, der mit vollendeter Sicherheit, in engster
Verbindung mit der Architektur, ein einheitliches Ganzes von mustergültiger Wirkung zu schaffen
wußte«. Das ist keine gering zu schätzende Wertung! Es wundert nur, daß auf dieses hohe Lob eines
kunstverständigen Gelehrten hin, sich niemand näher mit dem Kunstdenkmal in der Stadtkirche
Kenzingen befassen wollte. Es konnte nicht allein am Schlüssel liegen, der im nahen Pfarrhaus zu
holen war, um ins südliche Turmgeschoß zu gelangen.

Aufgrund von genauen Zeichnungen und photographischen Unterlagen, mehrfacher Überprüfung
von Erkenntnissen und Zusammenhängen am Ort, nach Durchleuchtung der geschichtli
chen und kirchengeschichtlichen Hintergründe, von Regesten und sichtbaren Zeugnissen vergleichbarer
Kunst nicht nur in Südwestdeutschland, nach Durchforstung der Uesenbergischen Familien-
und Verwandtengeschichte, steht fest:

Das Untergeschoß des Südturmes der Stadtpfarrkirche Kenzingen ist weder eine Turmkapelle
noch eine Krypta und die Wandmalereien der Nordwand (Abb. 2 + 3) stellen nicht Szenen der
Caecilien-Legende dar. Es würde hier viel zu weit führen, alle die Gründe aufzuzeigen, die zu einem
gesicherten Ergebnis führten, einige wesentliche seien hier gegeben, um den Beweis nicht ganz
schuldig zu bleiben.

Stilistisch sind Architekturschmuck und Wandmalerei der gleichen Zeit zuzuweisen, gehören
der verspäteten Frühgotik des Oberrheins der letzten Jahre des 13. Jahrhunderts an. Die vorhandenen
Steinmetzzeichen würde ich als zisterziensische Zeichen aus der Zeit der Erbauung der Marienkapelle
des Klosters Tennenbach bezeichnen. Eines der Steinmetzzeichen im Turmchor Kenzingen
ist in geringfügig verkürzter Form in Tennenbach nachzuweisen.

Der Südturm in seinem untersten Geschoß ist kurz vor 1300 erbaut worden - und da Bauskulptur
und Malerei auch ikonografisch übereinstimmen (worauf noch zurückzukommen ist) sind auch
die Wandmalereien anschließend ausgeführt worden. Zu dieser frühen Zeit ist die hl. Caecilia jedoch
nirgends in Zusammenhang mit Musikinstrumenten dargestellt worden. Es ist in der Kunstgeschichte
bekannt, daß der hl. Caecilia erstmals am Ende des 15. Jahrhunderts ein Musikinstrument
als Attribut beigeordnet ist.

In Kenzingen wäre somit, würden die Szenen an der Nordwand Teile der Caecilienlegende darstellen
, die früheste Darstellung überhaupt vorhanden. Sie hätte überdies während zwei Jahrhunderten
keine Nachfolge gehabt, was vollends ausgeschlossen werden kann. Was hätte die hl. Caecilia
für Kenzingen zu sagen ? Sollte man im Tiefgeschoß des Turmes singen und musizieren? Die Fragen
führten zu keiner befriedigenden und schon gar nicht zu einer überzeugenden Antwort. So
mußten die Fresken selber nach einer klaren Antwort befragt werden. Bei genauer Beobachtung,
nach Entstaubung der Freskenfragmente mehrten sich die Ungereimtheiten für eine Deutung auf
Caecilien-Szenen. Es war auch keine Übereinstimmung der merkwürdigen zeugnishaften Konsolköpfen
mit der Caecilien-Legende zu finden. Was sollten die Männerköpfe mit niederblickenden
Augen, unbewegten Minen, aber sichtbar etwas geöffneten Lippen bedeuten? Caecilia war nicht als
Sängerin bekannt und sie hat auch keinen Männerchor gegründet!

Drei der vier Konsolen, auf denen die Gewölberippen aufruhen, sind von Jünglings-Köpfen
getragen, die Abb. 1 gibt sie bei den Buchstaben B, C + D in ihrer Anordnung, in den Abbildungen
4, 5 + 6 im einzelnen wieder. Aufschlußreich war die Kopfkonsole C, Abb. 4. Sie wird von drei
Köpfen, deren Haarschöpfe ineinander übergehen, gebildet, diese wachsen aus einem vierten größeren
Kopf, welcher zu Boden blickt. Ich interessierte mich zuerst für diese Vierkopfgruppe, da sie etwas
sehr Bestimmtes auszusagen schien. Waren es die Häupter der Uesenberger, ihrer Ahnen? Sie
würden als alte Männer dargestellt worden sein. Diese waren jung, Jünglinge!
Ihre Gesichter sind glatt, die Haare lang und voll, die Lippen fleischig, keine ausgesprochenen Cha-
rakterzüge, keine Regung außer Gelassenheit, Ergebenheit. Junge Männer wie in Trance - ein
Hauch von Lächeln.- Die schlanken Hälse sind säulenhaft gerundet, unten von einem schmalen
enganliegenden, weiß bemalt gewesenen Kragen umschlossen, was sofort auf einen hohen Stand,
auf Würdenträger schließen ließ.

Ihre Haarschöpfe sind schwarzbemalt, ihre Gesichter gerötet. Ebenso ist die mit drei Seiten vorspringende
Kämpferplatte und der wie ein gestürztes Wüfelkapitell auf ihr ruhende Rippensockel an
den verschiedenen Flächen heute noch sichtbar in einem Wechsel der Farben rot und schwarz bewußt
gestaltet. Es fällt auf, daß es ein helles feuriges Rot, ein eher unangenehmes, gefährliches erregendes
Rot ist! Aber die vier Jünglinge berührt dies nicht, sie blicken mit großen Augen vor sich
hin. Die Röte auf ihren Gesichtern wirkt nur wie ein Widerschein!

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