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zugefügt wurden, kunsthistorisch und konstruktiv wertlos waren, abgebrochen werden
mußten und somit einem neuen Erweiterungsbau Platz machen konnten. Mit dem Staatlichen
Amt für Denkmalpflege in Freiburg befand man sich hierzu in Übereinstimmung.
Der an der Hauptstraße gelegene alte Hauptbau mit seinem gotischen Fensterband im 1.
Obergeschoß sollte erhalten bleiben, in den Entwurf einbezogen und auf seinen früheren
Werdegang hin untersucht werden.
6 Rundbogenöffnungen im Erdgeschoß im Gegensatz zum 7-teiligen gotischen Fensterband
im 1. Obergeschoß, ließen erkennen, daß das Haus früher mehrfach umgebaut
worden war, zumal in der Mitte des Erdgeschosses zwei barocke Rundbogenportale vorhanden
waren.
Aus geschichtlichen Überlieferungen ist über Bauarbeiten am Rathaus wenig zu erfahren
.
Einer Beschreibung über mittelalterliche Gebäude der hiesigen Stadt ist lediglich zu entnehmen
:
»Das Rathaus ist ein stattlicher Bau aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Es hat im Erdgeschoß
2 Rundbogenportale und 4 Rundbogenfenster, die ursprünglich wohl geöffnet waren
, so daß die Markthalle mit dem Straßenmarkt in unmittelbarer Verbindung stand.
Das über eine Spindeltreppe zugängliche Obergeschoß ist an der Front wie nach der Seitengasse
mit einer durchgehenden und zusammenhängenden Reihe von 3-teiligen Fenstern
gegliedert, deren Mittelteile jeweils die Seiten überragen, eine Fensterform, die in
dieser Zeit im Oberrheingebiet weit verbreitet war. Über einen Vorgänger des Kenzinger
Rathauses, der spätestens wohl für das 14. Jahrhundert anzunehmen ist, ist nichts mehr
zu ermitteln.«
In einem anderen Bericht über die Geschichte der Stadt steht geschrieben:
»Das Gericht tagte in der Gerichtslaube am Marktplatz und von 1520 an auf dem Rathaus
, das damals von dem Pfandherrn Wolf von Hürnheim erbaut worden war.«
Daß es sich hier bei dem von Wolf von Hürnheim im Jahre 1520 errichteten Rathaus, um
den an der Hauptstraße gelegenen Hauptbau handelt, ist eindeutig, denn das spätgotische
Fensterband im Obergeschoß und die 4 Säulen zwischen den Fenstern des Rathauses
zeugen davon.
— Wurde aber damals ein vollständiger Neubau errichtet oder baute man auf
alten Gebäudeteilen auf ?
— Woher stammen die seitlichen einfachen Rundbogenfenster im Erdgeschoß,
die bis zum Umbau in den Jahren 1965-1967 Fensterbänke aus Kunststein
besassen?
— Wann und weshalb wurden die beiden barockenen Rundbogenportale
eingebaut und vor allem,
— wo stand die oft zitierte Gerichtslaube ?
Mit allen diesen Fragen hat sich das Stadtbauamt bei der Planung befaßt, denn durch die
Baumaßnahme sollte auch der erhaltungswürdige Altbau seiner ursprünglichen Form näher
gebracht werden. Die volle Bedeutung des Rathauses in Kenzingen erkennt man jedoch
erst, wenn man sich an die geschichtlichen Zusammenhänge und die damit verbundenen
Machtverhältnisse des 11., 12. und 13. Jahrhunderts und die Entstehungsgeschichte
der Rathäuser vor Augen hält.
Bekanntlich entstanden die ersten Städte auf deutschem Boden vor rund 2000 Jahren
durch die Römer am Rhein, Main und an der Donau. Nach dem Zerfall des alten römischen
Reiches und dem Abzug der Römer blieb von ihren Lebensgewohnheiten und von
ihren Verfassungen und Stadtrechten so gut wie nichts erhalten, Aus den früheren Römerstädten
bildeten sich mit Unterstützung der weltlichen Herrscher »Bischofsstädte«
wie Köln, Mainz, Trier, Worms, Augsburg, Regensburg u.a., denn die Bischöfe erhielten
in diesen Städten nicht nur die kirchliche, sondern auch die weltliche Macht. Sie übten
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