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die Befehlsgewalt und die Gerichtsbarkeit aus und hatten die geistige und kulturelle Vorherrschaft
. Später, nach der Jahrtausendwende, wurde die Macht der Kaiser zugunsten
der Stammesfürsten untergraben. Durch Beistand der Fürsten in Feldzügen gingen immer
mehr kaiserliche Rechte, wie Erhebung von Steuern, Wahrnehmung der Gerichtsbarkeit
etc. an die Fürsten über.
Weitsichtige Fürstengeschlechter wie Weifen, Hohenstaufen und Zähringer erkannten
die durch Handel und Handwerk begünstigte, zunehmende Bedeutung der Städte und sahen
ihre eigene Macht darin gefestigt, in dem sie neue Städte gründeten, planmäßig anlegten
und ihnen weitgehende verbriefte Rechte übertrugen. Zu diesen Rechten gehörte
u.a. auch die Selbstverwaltung durch einen selbständig gewählten Rat und Schultheissen
und die Gerichtsbarkeit. Freiheiten und Rechte also, um die in den von den Bischöfen regierten
Städten dieser Zeit noch lange gestritten und gekämpft werden mußte.
Aber selbst in den neu gegründeten Städten wurde zunächst an die Schaffung eines Gebäudes
für die Ausübung der Ratstätigkeit nicht gedacht. Man beriet und sprach Recht
auf offenem Markt- oder Urteilsplatz, an manchen Orten unter einer Gerichtslinde. In
der Stadt Freiburg im Breisgau zum Beispiel in einer Vorhalle vor dem Münstereingang.
Bald ist jedoch in den Städten der Bau von Gerichtslauben zu erkennen, welche wohl als
Vorstufe der Rathäuser gewertet werden können.
Die profane Bauform der Rathäuser ist verhältnismäßig jung, denn vor dem 13. Jahrhundert
sind kaum Rathäuser entstanden. Als das älteste Rathaus gilt das »Romanische
Haus« in Gelnhausen/Hessen, das um 1180 erbaut wurde. Als weitere Ausnahme kann
das alte Straßburger Rathaus bezeichnet werden, das sogenannte »Palatium«, das im
Jahre 1262 erbaut wurde. Es ist allerdings im Jahre 1780 abgebrochen worden. Abgesehen
vom »Romanischen Haus« in Gelnhausen stammen die ältesten noch erhaltenen
Rathäuser aus der gotischen Bauzeit.
Damit zählt also auch das Kenzinger Rathaus zu den ältesten Zeugen der Rathausbaugeschichte
.
Aus der folgenden Beschreibung ist zu erkennen, daß das Rathaus in Kenzingen außerdem
die Entwicklung von der Gerichtslaube zum Rathaus mitgemacht hat.
Entgegen den damaligen Gepflogenheiten ist die Rathausfassade, wie schon erwähnt, im
1. Obergeschoß mit 7 Fenstereinheiten ausgestattet, im Erdgeschoß jedoch nur mit 6
Rundbogen, Die äußeren 4 kleinen Bogenfenster sind in etwa mitten unter den gotischen
Fensterachsen angeordnet, während die 2 Rundbogenportale, die in der Mitte des Gebäudes
liegen, keine Beziehung zu den oberen Fenstern haben. Die Steinbearbeitung und das
einfache Profil lassen erkennen, daß die kleinen Rundbogen alten Ursprungs sind, schätzungsweise
aus der spätromanischen oder frühgotischen Zeit.
Die mittleren Rundbogenportale mit ihrem reichen Profil stammen aus der barocken
Bauzeit; sie sind also nach dem unter dem damaligen Pfandherrn Wolf von Hürnheim erfolgten
Umbau des Rathauses eingebaut worden.
Mit der Aufnahme des Erdgeschoß-Grundrisses wurde entdeckt, daß bei der Fortführung
der Pfeiler- und Fensteröffnungsmaße der äußeren Bögen, die Gebäudelänge zwischen
den inneren kleinen Rundbögen 4 Pfeilermaße und 3 Bogenmaße ergaben, so daß
mit Sicherheit angenommen werden kann, daß das Erdgeschoß früher mit 7 gleichmäßigen
Rundbögen ausgestattet war, die eine lichte Weite von ca. 1,65 m hatten. Diese 7 Bogen
haben sicherlich vor dem Rathausbau im Jahre 1520 schon bestanden, denn die Siebenerteilung
der Obergeschoßfassade kann nur von den darunterliegenden 7 Rundbögen
abgeleitet worden sein.
Beim Entfernen des inneren Verputzes zeigte es sich, daß die Pfeiler zwischen den kleinen
Rundbögen und den Eingangsportalen früher schmäler gewesen waren und die gleiche
Breite hatten wie die Pfeiler zwischen den kleinen Bögen.
Im eingangs erwähnten Bericht über das Kenzinger Rathaus ist u.a. aufgeführt, daß das
Gericht vor 1520 in der Gerichtslaube am Marktplatz tagte. Nachdem das Erdgeschoß
mit seinen 7 Bögen offenbar schon vor 1520 bestanden hat, kann mit ziemlicher Sicher-
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