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Der Lehrer
Da ihm aber nach dem Tode seines Vaters, der um diese Zeit starb, die Mittel zu einem
weiteren Universitätsstudium fehlen, sucht er nach dem 5. Semester rasche Verwendung
im Lehrfach. Hermann Sussann besucht auf Anraten des großherzoglichen Oberschulrates
einen einjährigen pädagogischen Kursus des Lehrerseminars II in Karlsruhe, macht
hierauf das Examen für Volksschule und später die Reallehrerprüfung in Latein, Französisch
und Deutsch4). Er meldet sich auch zum sogenannten kleinen philologischen Staatsexamen
, wurde jedoch wegen des fehlenden 6. Semesters und Nichtbesuchs eines philologischen
Seminars nicht zugelassen (dieser Umstand sollte später auch ausschlaggebend
für seine Versetzung von Kenzingen nach Heidelberg sein). Nach kürzerer Wirksamkeit
an der Seminar- und Mädchenschule Karlsruhe findet der Schulkandidat in nichtetatmäßiger
Eigenschaft als geohistorischer Lehrer ab 24.9.1876 Verwendung an der Höheren
Bürgerschule Bretten und ab 24.9.1877 am Realgymnasium Karlsruhe. In dieser Zeit heiratet
er Luise Keller, geboren am 10.03.1851, deren Vater Kreisschulrat in Pforzheim
ist5'. Am 15.09.1881 wird ihr einziges Kind, Hildegard, geboren.
Durch Ministerialerlaß vom 23.8.1882 unterrichtet er dann seit 11.09.1882 in etatmäßiger
Eigenschaft (Beamter) als Hauptlehrer an der Höheren Bürgerschule Kenzingen, Vorläuferin
des heutigen Gymnasiums. Im Zuge einer Umwandlung der Höheren Bürgerschule
in eint Realschule wird er dann durch Erlaß vom 28.9.1887 zum Reallehrer ernannt.
Während dieser Zeit hat nun Hermann Sussann Gelegenheit, in praktischer Hinsicht sehr
vielseitig zu unterrichten: Er unterrichtet stets zur Zufriedenheit der Höheren Behörde in
Latein, Griechisch, Französisch, Deutsch, Geschichte, Geographie, Mathematik, Naturgeschichte
und Naturlehre. Vermerkt sei auch, daß er dabei die Stelle eines Professors
versah.
Der Heimatforscher
Neben seinem Beruf als Lehrer arbeitet er aber auch fleißig an der Ortsgeschichtsschreibung
:
Dem Jahresbericht 1885/1886 der Höheren Bürgerschule zu Kenzingen fügt der Lehrer
die erste seiner gründlichen, wissenschaftlich ernsten und verdienstvollen Abhandlungen
über die Geschichte Kenzingens bei. Er schildert in dieser die Geschichte der Stadt in den
ersten zwanzig Jahren des 30-jährigen Krieges und zeichnet in zusammenhängender, eingehender
, aus Urkunden geschöpfter Darstellung ein umfassendes Bild jener Schicksalsjahre
Kenzingens, die die Weiterentwicklung der Stadt so verhängnisvoll beeinflußten.
Im folgenden Jahr fügt er in einer weiteren Beilage den Bericht (II. Teil) über die Ereignisse
der Jahre 1638 bis 1648 bei.
Hermann Sussann wendet sich mit Freude den großen Vorgängen und Umwandlungen
im Völkerleben zu, wie dies in erster Reihe von der Reformation gilt. Zwar ist die geschichtliche
Bedeutung und der Gang derselben schon umfangreich dargestellt worden,
aber es fehlt, so scheint es dem Verfasser (H.S.) doch eigentlich an einem Bild, wie denn
an einem einzelnen Ort und zu einer bestimmten Zeit eine einzelne Gemeinde zum Übertritt
gelangt sei. Der Historiker fürchtet, bei Vermehrung des Details, die Einheit des Gedankens
nicht festhalten zu können. Für Hermann Sussann ist es mit seiner Abhandlung
über »Kenzingen in der Reformationszeit« (Beilage zum Jahresbericht 1888)7) Sache der
Ortsgeschichtsschreibung, diese Aufgabe auszuführen:
»In solcher Behandlung wird Lokalgeschichte zur Kulturgeschichte in bestem Sinne, wird
sie sogar zum Eckstein der Wiedererkenntnis der großen geistigen Bewegung. Sie bietet
ein Stück Weltgeschichte, aber an einem einzelnen, und zwar geeigneten Punkte erfaßt,
fixiert und unter die Lupe gebracht. Es ist keine Frage, daß man so erst sieht, wie so etwas
praktisch sich gemacht hat«S).
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